Letzte Ausfahrt vor dem Desaster

Barack Obama (mit seinem Außenminister John Kerry): Vor allem im Nahen Osten steht die US-Außenpolitik vor Trümmern
Das Atomabkommen als letzte Chance des US-Präsidenten auf einen außenpolitischen Erfolg.

Einen neuen Anfang" wollte er machen, nachdem sein Vorgänger George Bush erfolglos Kriege in zwei Staaten der Region – Afghanistan und Irak – angezettelt hatte. Eben diesen Titel gab Obama seiner Grundsatzrede über die neue US-Nahostpolitik, die er 2009 unmittelbar nach seinem Antritt in Kairo gehalten hatte.

Sechs Jahre später, mit seinem Abgang aus dem Weißen Haus in Sicht, steht der Präsident, dem man zu Beginn fast religiöse Verehrung entgegengebracht hatte, vor einem außenpolitischen Scherbenhaufen, wie ihn wohl seit Jahrzehnten kein US-Präsident mehr hinterlassen hat. Aus den Visionen und Versprechungen ist nie Realpolitik geworden. Die weltpolitische Führungsrolle der USA, die Bush mit oft plumper Gewalt an sich gerissen hatte, hat sein Nachfolger aus der Hand gegeben. Doch statt der Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner, die er – vor allem im Nahen Osten – voranbringen wollte, herrschen Terror und Chaos. Und in diesem Chaos setzen sich jene durch, die am wenigsten vor Grausamkeit und Willkür zurückschrecken. Ein Überblick über die Brandherde und Krisen.

Iran Selbst ein unterzeichnetes Atomabkommen garantiert weder verlässliche Kontrolle über das iranische Nuklearprogramm, noch ein Ende der internationalen Sanktionen. Sowohl in Washington als auch in Teheran werden die Gegner einer dauerhaften Einigung stärker.

Syrien Vier Jahre läuft der Krieg bereits und er hat die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Zehn Millionen Syrer haben ihre Heimat verloren. Diktator Assad sitzt weiter fest im Sattel und ist in Anbetracht der Herrschaft der islamistischen Terrormiliz IS über weite Teile des Landes der derzeit einzige mögliche Ansprechpartner, auch für die USA. Dass Obama einst gedroht hatte, dass Assad die rote Linie eines Chemiewaffen-Einsatzes nicht überschreiten dürfe, blieb folgenlos und scheint vergessen.

Irak Die völlig einseitige Politik der von Schiiten dominierten Regierung des Landes wurde zum Nährboden für die sunnitische Terrormiliz IS und deren Machtübernahme in weiten Teilen des Landes. Als langjährige Besatzungsmacht versagten die USA bei der politischen Kontrolle der Regierung in Bagdad. Vor den Augen Washingtons übernahmen schiitische Milizen immer mehr die Kontrolle im Süden des Landes.

Israel/Palästina US-Außenminister Kerry hat im Vorjahr einen neuerlichen diplomatischen Marathon absolviert, um den Friedensprozess voranzubringen – ohne jeglichen sichtbaren Erfolg. Die Rechtsregierung Netanyahu in Jerusalem widersetzt sich hartnäckig allen Initiativen aus Washington und treibt die Siedlungspolitik voran. In den Palästinensergebieten hat man außer dem weitgehend entmachteten Präsident Mahmud Abbas keinen verlässlichen Ansprechpartner mehr.

Libyen Die Entmachtung von Diktator Gaddafi wäre ohne den massiven Einsatz von US-Luftwaffe und Marine nicht möglich gewesen. Trotzdem schloss Obama den Einsatz von Bodentruppen in dem nordafrikanischen Land kategorisch aus. Im politischen Vakuum breitete sich umgehend blutiges Chaos aus, von dem das Land heute beherrscht wird. Und mittendrin hat der islamistische Terror in Gestalt eines weiteren Ablegers der IS eine neue Basis etabliert.

Jemen Über Jahre führte die US-Regierung einen intensiven Drohnenkrieg gegen die Terrorgruppe El Kaida im Jemen. Das politische Chaos, das nun zu einer Militäroffensive arabischer Staaten gegen das Land geführt hat, konnte man aber nicht stoppen.

Kommentare