Experte: Flüchtlingssituation in Europa "chaotisch"

Flüchtlingskrise: 85.000 in Österreich erwartet.
Konferenz für Integration in Wien. Sebastian Kurz: "Müssen sozialen Frieden in Gesellschaft aufrechterhalten."

Mit der Frage der Integration, die in der Flüchtlingskrise auf die europäischen Staaten zukommt, hat sich am Montag eine Konferenz von Regierungsvertretern aus zwölf Staaten, die für Integration zuständig sind, in Wien auseinandergesetzt. Gastgeber Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) beklagte dabei, dass es in puncto Integration im Gegensatz zur Migration nur wenige Plattformen auf europäischer Ebene gebe.

Dabei gehe es bei der Integration gerade darum, "den sozialen Frieden in unseren Gesellschaften aufrechtzuerhalten". Die Situation in den europäischen Staaten sei gleichzeitig - was den Anteil an der zugewanderten Bevölkerung betrifft - sehr unterschiedlich: In einigen Staaten liege der Migrantenanteil unter zwei Prozent, in anderen bei rund 40 Prozent. Österreich sei hier "ein Spitzenland" mit einer der höchsten "Nettozuwanderungsraten pro Kopf".

"Müssen Initiative wiedererlangen"

Der Integrationsexperte Demetrios Papademetriou, Mitbegründer des Washingtoner Thinktanks Migration Policy Institute, der an der Konferenz teilnahm, bezeichnete die Flüchtlingssituation in Europa als "chaotisch". Wir "müssen die Initiative wiedererlangen". Von einer chaotischen Situation müsse man zu "einer Situation, die besser organisiert ist" kommen. Papademetriou sprach sich für eine gemeinsame EU-Antwort aus, ließ aber in Sachen Integration keinen Zweifel daran: "Jedes EU-Land wird allein gelassen sein."

Die Schlüsselwörter bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und Integration seien "Flexibilität" und "Anpassungsfähigkeit". Auf der Konferenz wurden laut dem Experten auch "die außerordentlichen Kosten" diskutiert, über die es ebenso keinen Zweifel gebe.

Außenminister Kurz betonte, dass eine Lösung des Syrien-Kriegs nicht auch eine gänzliche Lösung der Flüchtlingskrise bedeuten würde. Dies wäre "naiv", denn nur 20 bis 25 Prozent der Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kämen, stammten ursprünglich aus dem Bürgerkriegsland Syrien.

Sprachkurse

Der Minister rechnet heuer mit 85.000 Flüchtlingen, die in Österreich ankommen, 20.000 bis 25.000 davon hätten noch heuer einen positiven Asylbescheid zu erwarten - die gleiche Anzahl nächstes Jahr. Als Pfeiler einer gelungenen Integration nannte Kurz in einer Konferenzpause von Journalisten den Spracherwerb, den Einstieg in den Arbeitsmarkt sowie die Vermittlung der Grundwerte im neuen Kulturkreis.

In Sachen Sprachvermittlung seien in Österreich in jüngster Zeit 10.000 neue Kursplätze entstanden, sagte der Außen- und Integrationsminister. Mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) arbeite er an einem "Anerkennungsgesetz", wodurch im Ausland erworbene Qualifikationen von Zuwanderern rasch überprüft und angerechnet werden sollen. Und was europäische Werte betrifft, würden diese von den Migranten "in der Masse" angenommen; mit dem Koalitionspartner SPÖ gibt es laut Kurz die Vereinbarung von der letzten Regierungsklausur, "dass es eine Wertevermittlung geben soll". Dabei solle der Integrationsfonds eine wichtige Rolle spielen.

"Schengen ist gefährdet"

Kurz sieht zwar kein drohendes Ende der EU angesichts der Flüchtlingskrise wie sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn, große Fortschritte bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf EU-Ebene sieht er aber auch nicht - und das Schengen-System mit seiner Reise- und Niederlassungsfreiheit sei "gefährdet". Kurz betonte: "Die Basis eines Europa ohne Grenzen nach innen sind funktionierende Außengrenzen." Die türkisch-griechische Grenze funktioniere jedenfalls nicht.

An der Konferenz nehmen Regierungsvertreter aus Deutschland, Tschechien, Griechenland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Schweden, Portugal und Estland teil, sowie Vertreter aus Nicht-EU- aber Schengen-Staaten Schweiz und Norwegen sowie aus den USA.

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