EU-Kritiker Hammond wird neuer Außenminister

William Hague (l.) geht, Philip Hammond kommt
Folgt auf William Hague. Cameron mit Neustart vor Wahl 2015: Kabinett nun EU-kritischer und weiblicher.

Mitten im Ringen um zentrale EU-Positionen setzte der konservative britische Premier David Cameron ein personelles Rufzeichen, das für Brüssel nichts Gutes verheißt: Er löste Außenminister William Hague ab und ernannte den bisherigen Verteidigungsminister Philip Hammond zum neuen Chef-Diplomaten. Zwar ist auch der 53-jährige Hague kein ausgewiesener EU-Freund, aber er gilt als gemäßigter als sein Nachfolger. Dieser hatte angekündigt, er werde bei dem spätestens 2017 stattfindenden Referendum bezüglich eines Verbleibs seines Landes in der Union für einen Austritt votieren – sollten nicht Zuständigkeiten von Brüssel auf die Nationalstaaten zurückverlagert werden.

Hammond war bisher Verteidigungsminister; der 58-Jährige gilt als Hardliner in Europafragen: Er wäre etwa für einen Austritt seines Landes aus der EU, sollte es Cameron nicht gelingen, bessere Bedingungen für Großbritannien auszuhandeln.

Kompletter Rückzug 2015

"Heute Abend trete ich von meinem Amt des Außenministers zurück, um Vorsitzender des Unterhauses zu werden", hatte Hague am Montagabend via Twitter erklärt. Der Vorsitzende des britischen House of Commons hat Ministerstatus und gehört somit der Regierung an.

Hague kündigte zudem an, dass er im kommenden Jahr aus dem Parlament ausscheiden werde: Bei der Parlamentswahl im Mai 2015 wolle nicht noch einmal als Abgeordneter kandidieren, schrieb er auf Twitter. Nach 26 Jahren als Abgeordneter werde es für ihn Zeit, sich anderen Dingen zu widmen.

"Führendes Licht"

Cameron beschrieb Hague als ein "führendes Licht" über eine gesamte Generation. "Er ist nicht nur ein erstklassiger Außenminister gewesen, sondern auch ein enger Vertrauter, ein kluger Berater und ein großartiger Freund", betonte Cameron. Hague hatte sich in den vier Jahren als Außenminister seit 2010 zuletzt vor allem für Frauenrechte in Kriegsgebieten eingesetzt. Hierzu hatte er gemeinsam mit der US-Schauspielerin Angelina Jolie eine vielbeachtete Initiative gestartet.

In seine Amtszeit fielen auch die Krise mit einem britischen Militäreinsatz in Libyen sowie die Schließung der britischen Botschaft in Teheran, die nun vor der Wiedereröffnung steht. Hague war international das Gesicht Großbritanniens bei Krisen wie in Syrien und zuletzt in der Ukraine. Erst am Sonntag war Hague noch in Wien, wo er an den Atomverhandlungen mit dem Iran teilnahm.

Neue Gesichter

Auch andere Posten werden neu besetzt: Der Rücktritt Hagues ist Teil einer groß angelegten Kabinettsumbildung in der Regierung von Premierminister David Cameron, sieben Regierungsmitgliedern haben demissioniert. Zuvor hatte mit Ken Clarke als Minister ohne Portfolio ein Westminster-Urgestein seinen Rückzug bekannt gegeben. In seiner neuen Funktion wird Hague Andrew Lansley ersetzen; Clarke wird als neuer EU-Kommissar Großbritanniens gehandelt. Fix ist, dass Liz Truss neue Umweltministerin wird.

Druck der EU-Gegner

Mit diesem Polit-Schachzug kommt der Tory-Führer dem Europa-skeptischen Flügel seiner Partei entgegen. Zugleich versucht er, der United Kingdom Independence Party (UKIP) das Wasser abzugraben. Die UKIP hatte bei der Europawahl mit scharfen Anti-Brüssel-Parolen massiv „abgeräumt“ und könnte bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr eine gefährliche Herausforderin der Konservativen zu werden.
Zweite Stoßrichtung des Premiers bei der Regierungsumbildung war es, das Kabinett weiblicher zu machen. So musste im Bildungsministerium Michael Gove der bisherigen Juniorministerin im Finanzressort, Nicky Morgan, Platz machen. Auch im Umwelt- und Ernährungsministerium steht jetzt mit Liz Truss eine Frau an der Spitze, Vorgänger Owen Cameron musste den Sessel räumen.

Aufgewertet wurden die Ministerinnen Esther McVey (Arbeit) und Tina Stowell. Sie wurden in den „Kabinettsrang“ erhoben. Das heißt: Sie gehören jetzt zur engsten Regierungsmannschaft Camerons und werden auch in der Öffentlichkeit präsenter sein. Dies soll sicherstellen, dass der Premier nicht so wie bisher stets von (älteren) Männern umringt ist. Resümee der britischen Zeitung Daily Telegraph: Der Premier habe die „Axt“ bei den „weißen Männern mittleren Alters“ angesetzt.

Philip Hammond ist der Mann, der für den britischen Premierminister David Cameron die europapolitischen Kohlen aus dem Feuer holen soll. Er wird, wenn es nach Cameron geht, Außenminister sein, wenn es das Verhältnis Londons zur EU neu zu verhandeln gilt. Mit Hammond hat Cameron für die knifflige Aufgabe ausgerechnet einen Erz-Europaskeptiker ausgesucht.

Hammond hatte in der Vergangenheit mehrmals klar gemacht, dass er einen Austritt seines Landes aus der EU einem Verbleib unter den bisherigen Bedingungen vorziehen würde. "Ich glaube, dass wir eine bessere Lösung heraushandeln müssen, die für Großbritannien besser funktioniert, wenn wir drinbleiben", sagte er im vergangenen Jahr. Eine solch explizite Position hatten bisher weder Cameron noch Hammonds Vorgänger William Hague öffentlich vertreten.

Kontrollfreak

Innenpolitisch hat sich der Oxford-Absolvent Hammond bisher als emsiger und zuverlässiger Kabinetts-Arbeiter erwiesen, "an der Grenze zum Kontrollfreak", wie der Guardian am Dienstag schrieb. Die schweren Kürzungen im Verteidigungshaushalt setzte er als Minister weitgehend lautlos um. Auch zuvor an der Spitze des Verkehrsressorts machte Hammond zuvor einen Job ohne wilde Schlagzeilen in der britischen Regenbogenpresse.

Allerdings gehörte er zu den Rebellen gegen Cameron, als es um die Abstimmung zur Homo-Ehe ging. Hier war der Regierungschef schließlich auf die Stimmen der Opposition angewiesen, um seine Pläne für die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare durchzusetzen.

Der 1955 geborene Hammond, seit 1991 verheiratet und Vater dreier Kinder, gilt privat nach einer erfolgreichen Karriere in kleinen und mittelständischen Unternehmen im In- und Ausland als wohlhabend.

Der politische Stern von William Hague war aufgegangen, als er erst 16 Jahre alt war. Damals schwang er eine erfrischende Rede auf einem Tory-Parteitag und fiel der Eisernen Lady, Premierministerin Margaret Thatcher auf. Der Oxford-Absolvent wurde mit 27 Jahren ins Parlament gewählt, wurde unter Premierminister John Major Kabinettsmitglied und einer dessen Nachfolger als Parteichef der Tories.

Diese Zeit war die glückloseste in der Karriere des William Hague. Nach einem heftig kritisierten Wahlkampf und einer donnernden Wahlniederlage 2001 gegen Tony Blair trat Hague vom Parteivorsitz zurück - und wurde der erste Parteichef der Konservativen, der nie Premierminister war.

2010 ging dann der politische Stern des heute 53-Jährigen erneut auf. David Cameron berief Hague als ein Schwergewicht in sein Kabinett und beauftragte ihn mit der Leitung des Außenministeriums. Eine schwere Aufgabe. Der Dauerstreit mit der EU, der Arabische Frühling, die Ukraine-Krise beschäftigten Hague. Zumindest zum Teil auf sein Konto ging auch die Abstimmungsniederlage der Regierung im Parlament, als die Abgeordneten die Gefolgschaft bei der Frage eines Militäreinsatzes in Syrien verweigerten.

Zuletzt hatte sich Hague gemeinsam mit der Schauspielerin Angelina Jolie dafür eingesetzt, Gewalt gegen Frauen in Kriegsgebieten zu bekämpfen - eine Aufgabe, die er auch künftig nicht ganz aufgeben dürfte. Hague will sich nun vor allem dem Tory-Wahlkampf für 2015 widmen - und sich nach der Wahl Dingen zuwenden, "die ich schon immer machen wollte".

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