Marine Le Pen vor Vollendung ihres Sieges

Marine Le Pen feiert ihren Sieg bei der ersten Runde der Regionalwahl
Regionalwahlen: Frankreichs Nationalisten rechnen mit einem weiterem Erfolg am nächsten Sonntag.

Eine Ruinenlandschaft – so wirkt die traditionell vorherrschende französische Politszene nach dem Durchmarsch des "Front National" vom Sonntag. Und es ist fraglich, inwieweit sich die übrigen Parteien bis nächsten Sonntag, also dem zweiten Durchgang der Regionalwahlen, noch erholen können.

Im ersten Wahlgang, vorgestern, hatten die Nationalisten landesweit mit rund 28 Prozent alle übrigen Parteien abgehängt und waren in sechs von 13 Großregionen in Führung gegangen. Bisher aber scheiterte der FN – trotz hohen Stimmenanteils – fast immer im zweiten Durchgang diverser Wahlen.

Diesmal liegen drei bis vier Regionalregierungen in potenzieller Reichweite des FN. Im zweiten Durchgang dieser Wahlen erhält die – relative – stärkste Partei einen Mandatsbonus und damit die absolute Mehrheit.

In zwei Regionen, in denen der FN im ersten Wahlgang auf über 40 Prozent gelangt ist, scheint ein solcher Sieg vorgezeichnet: Im Norden, wo die FN-Vorsitzende Marine Le Pen kandidiert, und in der Region "Provence/Alpes/Cote d’Azur" im Südosten Frankreichs, wo ihre Nichte, Marion Marechal-Le Pen antritt.

Verzicht auf SP-Kandidatur

Die in diesen beiden Regionen jeweils zweitgereihte bürgerliche Allianz unter der Führung der "Republikaner" wird zwar davon profitieren, dass die abgeschlagenen Sozialisten im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten, um einen Sieg des FN zu verhindern. Das könnte aber trotzdem nicht reichen, weil viele Wähler nicht mehr auf Anweisungen der Politiker hören.

Die SP-Führung hat den Verzicht ihrer Listen zugunsten der bürgerlichen Allianz überall dort angeordnet, wo die Linke keine Chance auf einen Sieg hat und der FN in Führung liegt. Das ist ein beträchtliches Opfer, weil die SP damit auch auf jede Vertretung im jeweiligen Regionalparlament verzichtet. Etliche SP-Aktivisten scheinen aber nicht bereit, für ihre vormaligen bürgerlichen Kontrahenten zu stimmen.

Dazu kommt, dass der Chef der "Republikaner", Nicolas Sarkozy, seinerseits jeden Rückzug zugunsten der Sozialisten, auch dort wo seine Partei hoffnungslos abgeschlagen ist, ablehnt. Allerdings stößt diese Haltung von Sarkozy auf Kritik seiner innerbürgerlichen Rivalen.

Sarkozy ist – vielleicht mehr noch als die sozialistische Staatsführung um Präsident François Hollande – der eigentliche Verlierer des ersten Wahlgangs. Bis zuletzt glaubte der Ex-Staatspräsident an eine Siegeswelle seiner bürgerlichen Allianz und hämmerte bei seinen Wahlversammlungen bezüglich der Umfragen, die einen FN-Sieg vorhersahen: "Lügen, Lügen nichts als Lügen!" Seine Allianz kam zwar am Sonntag mit rund 27 Prozent auf Platz zwei, verfügt aber kaum mehr über Stimmenreserven für den zweiten Wahlgang. Während sich die SP (rund 24 Prozent) mit kleineren Linksparteien und den Grünen (gemeinsam rund 10 Prozent) verbünden wird und dadurch in drei bis vier Regionen siegen könnte – darunter im Pariser Großraum, der wichtigsten Region Frankreichs mit ihren 12 Mio. Einwohnern, die Sarkozy der Linken zu entreißen glaubte.

Boomerang-Effekt?

Auch in der Großregion, "Champagne/Ardennen/Lothringen/Elsass" hat der FN Siegesaussichten. Dort ist Florian Philippot am Werk. Der 34 -Jährige ist einer der ganz wenigen Vertreter der französischen Beamten-Elite im FN und engster Berater von Marine Le Pen.

Philippot kam im ersten Wahlgang auf 36 Prozent. Er könnte davon profitieren, dass der örtliche Spitzenvertreter der SP sich einstweilen der Weisung aus Paris widersetzt und im zweiten Durchgang weiter kandidieren möchte. Dann käme es zu einem Dreikampf, der für den FN leichter zu gewinnen wäre.

Paradoxerweise könnte sich die Ausdehnung der Machtsphäre für den FN als Falle erweisen. Philippot hat das noch am Wahlabend durchblicken lassen, indem er sich über das Ausmaß seines Erfolgs erstaunt und wohl auch ein wenig unsicher zeigte: "Das ist ja wirklich sehr, sehr hoch." Dahinter steckt die Sorge für eine derartige Vielzahl von Exekutiv-Ämtern nicht über die nötigen, qualifizierten Parteikader zu verfügen. Der Erfolg wird der FN zwar einen Zustrom von Amtsanwärtern verschaffen. Darunter dürften sich aber auch etliche dubiose Persönlichkeiten befinden, was auch schon bei den FN-Kandidatenlisten auffiel.

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