60 Parlamentarier im Visier des Fiskus

Thomas Thévenoud musste Anfang September, nur neun Tage nach seiner Nominierung zum Staatssekretär für Außenhandel, wieder zurücktreten.
Steuerbetrug. Heikler Zeitpunkt für französische Regierung.

Phobie administrative" (Behörden-Phobie) – diese neue Krankheitsdiagnose ist in Frankreich zum geflügelten Wort geworden, nachdem sie von Thomas Thévenoud, einem wegen Steuersünden gestrauchelten SP-Politiker, als Entschuldigung ins Treffen geführt wurde. Thévonoud musste Anfang September, nur neun Tage nach seiner Nominierung zum Staatssekretär für Außenhandel, wieder zurücktreten. In der Zwischenzeit war bekannt geworden, dass er als Abgeordneter und Mitglied der Kommission zur Bekämpfung von Steuerbetrug selber den Fiskus jahrelang hintergangen hatte. Zudem hatte er Wohnungsmiete, Stromrechnungen und Honorare für Heilmassagen nicht gezahlt.

"Nur sechs Prozent"

Thévenoud, der aus der SP ausgeschlossen wurde, steht ab sofort nicht mehr alleine da: 60 weitere Parlamentarier haben Probleme mit der Steuer, berichtet das Enthüllermagazin Canard enchainé. Das seien "nur sechs Prozent" der insgesamt 925 Angehörigen der Nationalversammlung und des Senats (das Oberhaus), wie der Präsident der Nationalversammlung beschwichtigend konstatierte. Aber der Eindruck ist verheerend.

Zwar geht es bei einigen der 60 Fälle nur um geringfügige Differenzen mit dem Fiskus, wie sie in Frankreich, wo es keine Quellensteuer gibt, geläufig sind. Aber in anderen Fällen handle es sich laut Canard enchainé um "massiven Steuerbetrug".

Diese Affären erfolgen zu einem besonders heiklen Zeitpunkt. Auch einkommensschwächere Teile der Mittelschichten hatten zuletzt Steuererhöhungen ungeahnten Ausmaßes zu verkraften. In Steuerämtern hatten sich Zwischenfälle gehäuft, als Steuerzahler um Aufschub oder Stundung ansuchten. Bittsteller ätzten, sie würden auch unter "Phobie administrative" leiden. Dazu kommen scharfe Sparmaßnahmen, die von einer wachsenden Zahl von linken SP-Parlamentariern abgelehnt werden. Resultat: Während der laufenden Budgetdebatte wird jede Abstimmung zur Zitterpartie für die SP-Regierung.

Die Regierung beharrt jetzt aber erst recht auf ihrem sozialliberalen Kurs und ihren Unternehmer-freundlichen Vorstößen wie etwa der Lockerung des Arbeitsrechts und dem sonntäglichen Öffnungsverbot im Handel. Der neue Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, ein forscher Ex-Banker, will streng reglementierte Berufsgruppen wie Anwälte, Notare oder Apotheker aufmischen. Das sorgt zwar für heftige Proteste, Macron kommt aber laut Umfragen in der Bevölkerung damit gut an.

Es ist auch nicht ausgemacht, dass der Steuerskandal im Parlament gegen die SP-Regierung durchschlägt, zumal Oppositionspolitiker bis hin zum Rechtstribun Jean-Marie Le Pen in Steueraffären waten. Außerdem sind die jetzigen Enthüllungen das Ergebnis eines Gesetzes, das Hollande durchsetzte und das die Abgeordneten erstmals zur kompletten Offenlegung ihrer Finanzen zwingt.

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