Flottenaufmarsch vor Libyen

Italienische Kriegsschiffe kreuzen jetzt vor der Küste Libyens. Die Ex-Kolonie, in der der IS Fuß fasst, versinkt zunehmend in Chaos
Kriegsschiffe sollen Gasleitung schützen, notfalls aber auch in Ex-Kolonie eingreifen.

San Giorgio", "Duilio", "Bergamini" – so lauten die Namen der italienischen Marineschiffe, die am Wochenende von den Hafenstädten La Spezia und Taranto zu der groß angelegten Mission "Mare Aperto" aufgebrochen sind. Die Schiffe haben keine hundert Kilometer vor der libyschen Küste Stellung bezogen.

Offiziell handelt es sich dabei um einen Trainingseinsatz, bei dem 500 italienische Soldaten beteiligt sind. Doch es ist kein Geheimnis, dass sich an Bord Spezialeinheiten befinden, die jederzeit eingreifen können, falls die Lage in Tripolis weiter eskaliert.

Man möchte "Muskeln zeigen", sagte ein Marinekommandant. In einer offiziellen Stellungnahme der italienischen Marine heißt es: "Die Marina Militare intensiviert ihre Manöver im Tyrrhenischen und Ionischen Meer. Es ist eine Gelegenheit, um Stärke angesichts einer sehr komplexen Krise zu beweisen."

Furcht vor IS-Attacken

Flottenaufmarsch vor Libyen
Die Marineschiffe, die im Vorjahr im Rahmen der Mission "Mare Nostrum" 150.000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet hatten, befinden sich nun in der Nähe der Ölplattform von Sabratha. Diese liegt rund 80 Kilometer von der libyschen Küste entfernt im Mittelmeer. In jener Zone verläuft die Pipeline Greenstream, die Unterwasser-Gasleitung des italienischen Energiekonzerns ENI. Im Falle einer Attacke der Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) wären die Soldaten in der Lage, die Gasleitung zu verteidigen.

In Rom befürchtet man nicht nur einen Flüchtlingsansturm, sondern bangt vor allem um die notwendigen Öllieferungen aus der ehemaligen Kolonie in Nordafrika. Der Ölriese ENI, der vor zwei Wochen sein gesamtes italienisches Personal abgezogen hat, wickelt seit Jahrzehnten in Libyen Milliardengeschäfte ab. Das Unternehmen kontrolliert die 520 Kilometer lange Gaspipeline Greenstream, die unter dem Mittelmeer Gas vom libyschen Mellitah nach Gela auf Sizilien leitet. 20.000 Soldaten der vom Westen anerkannten Regierung in Tobruk schützen die Struktur vor IS-Attacken.

In Libyen, das zunehmend im Chaos zerfällt, konkurrieren zwei Regierungen, die von verfeindeten Milizen unterstützt werden. Die eine, islamistisch geprägte herrscht von der Hauptstadt Tripolis aus, die andere ist nach Tobruk im Nordosten geflohen.

Drohmanifest

Italien ist bemüht, in der Bevölkerung jede Panikmache nach IS-Terrordrohungen zu vermeiden. In Geheimdienstberichten wird aber vor einer erhöhten Anschlagsgefahr durch die selbst ernannten Gotteskrieger gewarnt. Erst kürzlich war im Internet ein neues 64 Seiten langes IS-Drohmanifest mit dschihadistischer Propaganda in italienischer Sprache aufgetaucht.

Die Regierung von Premier Matteo Renzi setzt auf eine internationale diplomatische Offensive im sich immer schneller zuspitzenden Libyen-Konflikt.

Premier im Kreml

Außenminister Paolo Gentiloni kehrte soeben aus dem Iran zurück, wo er mit Verantwortlichen in Teheran über eine friedliche Libyen-Lösung sprach. Morgen, Mittwoch, bricht Renzi zu seinem ersten Kreml-Besuch auf. Dabei will er mit Russlands Präsident Putin auch über einen Libyen-Krisenplan beraten, der ganz oben auf der Agenda steht.

Revolution

Beflügelt durch die Revolution in Tunesien kommt es im Februar 2011 zu Protesten, die rasch in einem Krieg eskalieren. Eine UN-verhängte Flugverbotszone wird durch NATO und arabische Staaten erzwungen. Am 20. Oktober 2011 wird Diktator Gaddafi bei der belagerten Stadt Sirte verletzt und dann getötet.

Bürgerkrieg

Nach Gaddafis Tod begannen Kämpfe zwischen Stammesmilizen. 2012 fanden erste Wahlen statt, nach den Wahlen im Juni 2014 weigerten sich islamistische Kräfte, das Resultat anzuerkennen. Die neue Regierung sitzt seither in Tobruk, die alte Regierung blieb in Tripolis – und faktisch ebenso im Amt.

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