Lost in Transitzone: Die Debatte im Faktencheck

Schlange stehen in Passau: Bayern will Transitzonen
CDU, CSU und SPD streiten über Auffangzonen an der Grenze – was steckt dahinter?

Jetzt also die SPD. War es bisher die CSU, die wegen der Flüchtlingskrise den Koalitionsfrieden riskiert hat, zückt nun SPD-Chef Sigmar Gabriel die Rote Karte: Er lehnt die von den Unionsparteien am Sonntag paktierten Transitzonen rundheraus ab – "eine Scheindiskussion" sei das, so der SPD-Chef am Montag.

Angela Merkel und Horst Seehofer hatten sich am Sonntag auf Auffangzonen an der Grenze geeinigt, um Flüchtlinge abzufangen – und schneller abzuschieben. Die SPD brandmarkt die Zonen als "Haftanstalten", Gabriel spricht von einem "abenteuerlichen Vorgang", der juristisch nicht haltbar sei. Am Donnerstag will man zwar eine Lösung erstreiten, derzeit sind die Fronten aber festgefahren. Ein Faktencheck zu dem, was bisher auf dem Tisch liegt:

Welche Grundlage haben die Zonen? Vorbild dafür sind Flughafen-Verfahren: Kommt ein Asylsuchender aus einem sicheren Herkunftsland oder ohne Papiere am Flughafen an, wird er dort festgehalten, eine Schnellprüfung seines Ansuchens wird vorgenommen. 2014 war das in Deutschland bei 643 Personen der Fall; 539 durften einreisen, 104 wurden abgeschoben.

Wen würde das Verfahren betreffen? Das wird derzeit diskutiert. CDU und CSU wünschen, dass die Regelung für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten und für solche, die ein laufendes Asylverfahren in einem anderen EU-Staat haben, gilt. Betreffen würde das alle Asylwerber vom Westbalkan, deren Anteil an der Gesamtzahl der Ankommenden zwar nicht riesig, aber absolut gesehen nicht zu unterschätzen ist. Von Jänner bis September kamen 100.000 Menschen aus der Region an, derzeit rechnet man monatlich mit bis zu 10.000 Personen.

Wie lange würde man die Menschen festhalten? Bis zu eine Woche, so Innenminister de Maizière. In diesem Zeitraum soll eine Erstprüfung ergeben, ob ein Asylgrund besteht – wenn nicht, kommt es zur Abschiebung.

Wo sollen die Zonen errichtet werden? Dies beantwortet derzeit niemand – es ist offen, ob die Asylsuchenden in festen Gebäuden oder Zelten untergebracht würden. Die CSU will die Zonen jedenfalls im exterritorialen Niemandsland an der Grenze errichten; die SPD hingegen will bestehende Zentren nutzen und sie mit Registrierstellen für Menschen vom Westbalkan ausstatten – Gabriel schweben 10 bis 20 davon vor.

Gibt es überhaupt genug Ressourcen?Eigentlich nicht. Bei täglich rund 10.000 Ankommenden in Bayern sind die Einsatzkräfte überlastet. Die Polizeigewerkschaft warnt, dass Massenlager entstünden: "Vieles wird an der Realität scheitern", so Sprecher Rainer Wendt. NGOs bekritteln, dass Schnellverfahren juristisch fragwürdig seien – die Fehlerquote sei durch das Tempo enorm hoch.

Einmal jährlich treffen die Klubs von ÖVP und CDU/CSU in Berlin aufeinander – heuer beriet man unter komplizierten Bedingungen: Es galt, Differenzen wegen der Flüchtlingspolitik auszuräumen – nicht nur einmal bezichtigten die Deutschen Österreich ja der Schlepperei.

Herausgekommen ist dabei durchaus Konstruktives. Man intensiviert die Kooperation an der Grenze mit gemeinsamen Polizeizentren. "Schreibtisch an Schreibtisch" soll gearbeitet werden, so CDU-Fraktionschef Volker Kauder und VP-Klubchef Reinhold Lopatka. Wann die verstärkte Zusammenarbeit jedoch starten soll, darauf will sich Lopatka nicht festlegen: "Je eher wir das schaffen, umso besser." Die Innenministerien seien jedenfalls bereits in Kontakt – und auch eine Ausweitung der Kooperation auf Slowenien und Kroatien wäre wünschenswert, so Lopatka.

Nicht kommentieren will er die Debatte über Transitzonen (siehe Artikel rechts). "Man soll zuerst Eier legen und dann reden." Was die Differenzen mit den Bayern angeht, zeigt er sich gegenüber dem KURIER zuversichtlich. "Ich habe Verständnis dafür, dass es den Bayern emotional zu viel geworden ist. Ich hoffe aber, dass die Ausbrüche nun nicht mehr vorkommen."

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