Ohne Visafreiheit "schicken wir die Flüchtlinge los"

Migranten, die von Europa in die Türkei gebracht wurden
Erdogan-Berater Burhan Kuzu warnt EU-Parlament vor "falscher Entscheidung". Türkischer EU-Minister sieht Anti-Terror-Gesetze mit europäischem Recht vereinbar.

Die Türkei wird einem Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan zufolge Flüchtlinge nach Europa schicken, wenn die geplante Visafreiheit am EU-Parlament scheitern sollte. Mit Blick auf die EU-Parlamentarier schrieb Erdogans Berater Burhan Kuzu am Dienstagabend im Kurznachrichtendienst Twitter, das Parlament stehe an der Schwelle einer wichtigen Entscheidung.

"Wenn es die falsche Entscheidung trifft, schicken wir die Flüchtlinge los", warnte Kuzu. Die zugesagte Visafreiheit für türkische Reisende im Schengen-Raum ist Bestandteil des türkisch-europäischen Flüchtlingsabkommens vom März. Damals hatte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu - der inzwischen seinen Rücktritt angekündigt hat - zugesagt, alle Bedingungen für die Visafreiheit bis Juni zu erfüllen.

Ohne Visafreiheit "schicken wir die Flüchtlinge los"
epa05298967 A picture made available on 11 May 2016 shows Turkey's Justice and Development Party (AKP) lawmaker Burhan Kuzu during an interview in Istanbul, Turkey, 24 September 2011. Senior advisor to Turkish President Erdogan, Burhan Kuzu on 11 May 2016 threatened to send asylum seekers to the EU in case the European Parliament would not decide in favor of Turkey on visa-free travels to Europe, reports stated. EPA/SEDAT SUNA

Erdogan: "Gehen unseren Weg weiter"

Dagegen kritisierte Erdogan am Dienstag, die EU habe die Visafreiheit an neue Bedingungen wie die Reform der türkischen Anti-Terrorgesetze geknüpft. Eine solche Reform lehnt Erdogan ab.

Der Juni-Termin sei lediglich ein Versuch der EU, die Visafreiheit insgesamt zu Fall zu bringen, sagte Erdogan. Er wolle deshalb, dass sich die EU an den vorher zugesagten Termin im Oktober halte. "Wenn es funktioniert, dann funktioniert es, sonst gehen wir unseren Weg weiter", sagte er in Ankara.

Anti-Terror-Gesetze mit EU-Recht vereinbar

Die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze der Türkei sind nach Darstellung von EU-Minister Volkan Bozkir mit europäischem Recht vereinbar und müssen deshalb nicht verändert werden. Es sei unmöglich für die türkische Regierung, Änderungen an den Gesetzen zu akzeptieren, sagte Bozkir am Mittwoch dem Sender NTV.

Derartige Modifikationen seien zudem kein Bestandteil der geplanten Vereinbarung mit der EU zur Visafreiheit für Türken. Bozkir widersprach damit der EU-Kommission, die zwar vorige Woche die Visabefreiung vorgeschlagen hatte, dies aber von der Umsetzung von insgesamt 72 Bedingungen abhängig gemacht hat. Bisher fehlen fünf Voraussetzungen, wozu unter Punkt 65 auch eine Überarbeitung des Rechtsrahmens bei organisierter Kriminalität und Terrorismus gehört.

Durch die verlangten Änderungen müsse "das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf einen fairen Prozess und auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit" gewährleistet sein, heißt es in dem EU-Forderungskatalog. Die türkischen Gesetze müssten in diesem Punkt im Einklang mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und den Regeln in den EU-Mitgliedstaaten stehen.

Das EU-Parlament, das wie die EU-Staaten einer Visabefreiung zustimmen muss, hatte sich am Dienstag darauf verständigt, darüber erst dann zu beraten, wenn die Türkei alle 72 Voraussetzungen erfüllt hat.

Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei hat die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge drastisch reduziert. Nach UN-Angaben liegt die Zahl der pro Tag in Griechenland ankommenden Menschen derzeit bei 61, nach 115 im April und fast 900 im März. Im vergangenen Sommer setzten zeitweise jeden Tag mehrere tausend Menschen von der Türkei auf eine der griechischen Ägäis-Inseln über.

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