Die radikale Linke verliert an Boden

Will mit viel persönlichem Einsatz und noch mehr politischer Taktik bei den Wahlen wieder an die Macht: Ex-Premier Alexis Tsipras
Die linke Syriza könnte demnächst mit der konservativen Nea Dimokratia regieren.

Es war ein heißer politischer Sommer für den griechischen Ex-Premier Alexis Tsipras: Er hat seine Wahlversprechen gebrochen, dem krisengeplagten Land ein drittes Memorandum mit den internationalen Gläubigern aufgezwungen und auch noch die Spaltung seiner linksgerichteten Partei Syriza herbeigeführt. Der Herbst verspricht keine Entspannung. Tsipras muss nun seine enttäuschten Wähler dazu bringen, bei der durch ihn ausgelösten vorgezogenen Neuwahl am 20. September wieder für ihn zu stimmen.

"Tsipras versucht seine persönliche Popularität aufrechtzuerhalten – er hat an Zustimmung verloren, führt aber immer noch unter griechischen Politikern", analysiert der Politologe George Pagoulatos für den KURIER. Hauptargument des Ex-Premiers werde sein: Er sei einen Kompromiss mit den Gläubigern eingegangen, um ein Desaster zu vermeiden.

Doch Tsipras wird viel Überzeugungskraft brauchen, um das Ergebnis der jüngsten Meinungsumfragen für die radikale Linke zu verbessern. Im Jänner gewann Syriza die Wahl mit rund 36 Prozent. Laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Alco vor ein paar Tagen führt die radikale Linke mit 22.6 Prozent nur noch knapp vor ihrem größten politischen Gegner, der konservativen Nea Dimokratia, die 21.1 Prozent bekommt.

Drittstärkste Kraft bleibt offenbar die faschistische Goldene Morgenröte. Die neue Partei Volkseinheit der Syriza-Rebellen rund um Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis kommt mit vier Prozent erst an siebenter Stelle.

Der neue Nea-Dimokratia-Chef Evangelos Meimarakis mahnte Landwirte in Westgriechenland: "Wir haben diesen Luxus nicht: Wir können nicht für eine Partei stimmen, nur einfach so, zum Trotz." Beim feierlichen Umzug Anfang der Woche in die alte Parteizentrale im Zentrum von Athen rief Meiramakis alle Wähler auf, sich zu vereinen, um Griechenland "vorwärts zu treiben". "Fortschritt bedeutet nicht, allem Neuen zu folgen, ohne zu wissen, ob es richtig ist oder nicht. Es bedeutet auch nicht, Experimente zu machen, die mit einer 90-Milliarden-Euro-Rechnung enden."

"Meimarakis versucht, Nea Dimokratia-Wähler zurückzuholen, die zuletzt für Syriza gestimmt haben, auch aus der Hoffnung auf Steuererleichterungen. Er hat sich als der Anführer des pro-europäischen Ja-Lagers beim jüngsten Referendum präsentiert", meint Pagoulatos.

Griechen skeptisch

Im Moment aber scheinen die Griechen weder von Meiramakis noch von Tsipras ganz überzeugt zu sein. Laut einer anderen Meinungsumfrage befürworten 24 Prozent der Wähler eine große Koalitionsregierung aus mehreren Parteien. Etwa 21 Prozent sind für eine Regierung geführt von Nea Dimokratia, und nur 17 Prozent für eine Koalition mit Syriza an der Spitze.

Im Syriza-Lager scheint man sich dessen bewusst zu sein und räumt die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Gegnern ein: "Sobald wir das Wahlergebnis haben, werden wir es analysieren und entscheiden, was zu tun ist, weil es keine Chance gibt, dass wir uns nochmals auf Neuwahlen einlassen", sagte der Ex-Innenminister der Syriza, Nikos Voutsis.

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