Schäubles Politik der kleinen Nadelstiche

Nicht mehr auf Kurs: Merkel und ihr Finanzminister Schäuble
Flüchtlingsfrage: Finanzminister und "Reservekanzler" setzt sich von Merkel ab.

Es sind immer die Nebensätze, mit denen Wolfgang Schäuble viel zu sagen vermag. Bevor der deutsche Finanzminister zum G20-Gipfel nach Schanghai abhob, hinterließ er seiner Kanzlerin in genau dieser Manier ein Abschiedsgeschenk: Die Zahl der Flüchtlinge müsse dramatisch sinken, sagte er da noch schnell – "sonst schaffen wir das nicht mehr".

Diese Abwandlung des Merkel-Sagers ist nur der letzte in einer Reihe von Nadelstichen, mit denen Schäuble sich immer stärker gegen die Regierungschefin positioniert. Da war der Vergleich der Flüchtlingskrise mit einer Lawine, die ein "unvorsichtiger Skifahrer" ausgelöst habe; dem folgte die Idee, eine europäische Benzinsteuer einzuführen, um die Krise zu finanzieren – ein Vorschlag, der selbst parteiintern "vergiftet" genannt wurde. Zu guter Letzt ließ er eine Prognose publizieren, die die "Wir schaffen das nicht"-Haltung unterstrich: Bis 2020 müsse Berlin mit insgesamt 3,6 Millionen Flüchtlingen rechnen – und diese Belastung, so das Finanzministerium, sei trotz Haushaltsüberschusses kaum zu stemmen.

Zwei Ziele

Schäuble geht es dabei um zweierlei Dinge: Zum einen um seine schwarze Null, die er als erster Finanzminister seit 1945 erwirtschaftet hat; zum anderen um die Unterstützung jener, die gegen Merkels Kurs opponieren – denn das werden mehr und mehr. Schon während der Grexit-Debatte machte er die Bruchlinien zwischen sich und Merkel offen, damals waren die Gegner der Kanzlerin aber in der Minderheit. Schneidet die CDU nun trotz des restriktiven Asylpakets, das am Donnerstag verabschiedet wurde, bei den Landtagswahlen im März schlecht ab, ist denkbar, dass sich die Partei hinter Schäuble sammelt – und ihn zum Übergangskanzler kürt, heißt es aus parteinahen Kreisen.

Im geschützten Rahmen spreche er darüber auch offen, heißt es – öffentlich kokettiert Schäuble mit seiner Rolle als "Reservekanzler" aber nur. Danach gefragt, antwortet er meist nur ausweichend: "Adenauer war bei Amtsantritt 73 Jahre alt", sagt er etwa kürzlich – genau so alt wie er selbst.

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