Der IS erklärte Saudis den Krieg

Anschlag nahe der Grabesmoschee des Propheten in Medina
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" ist eine direkte Bedrohung für das ohnehin geschwächte Königshaus.

Noch ist nicht klar, wer hinter dem blutigen Montag steckt, doch viel deutet darauf hin, dass die Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan in Saudi-Arabien zugeschlagen hat. Gleich drei Mal: In der Küstenstadt Jeddah in der Nähe des US-Konsulats, in der Stadt Katif im Osten des Landes, in der vorwiegend Schiiten leben, und nahe der Grabesmoschee des Propheten Mohammed in Medina, nach Mekka der zweitwichtigsten heiligen Stätte des Islam. Sollte sich die IS-Täterschaft erhärten, kommt diese konzertierte Aktion einer Kriegserklärung der Dschihadisten an Riad gleich.

Pakt mit "Kreuzrittern"

Das Königreich steht schon lange im Fadenkreuz der Extremisten. Einst hatte sich Osama bin Laden mit seinem Terrornetzwerk El Kaida radikal gegen die Führung in seinem Heimatland gewandt – weil die dortigen Machthaber mit den "US-Kreuzrittern" paktierten und daher als Hüter von Mekka und Medina entfernt gehörten. Jetzt ist es der IS. Bereits in der ersten Ausgabe seines Propaganda-Magazins "Dabiq" (Juli 2014) verheißt er darin die Eroberung des ölreichen Golfstaates.

Die Wahhabiten-Dominanz

Dabei haben der IS und andere radikal islamische Gruppierungen genau dort ihre ideologischen Wurzeln – in der wahhabitischen, extrem rigiden Auslegung des Koran, samt Köpfungen, Arm-Amputationen oder Auspeitschungen. Vertreter dieser Tradition wähnen sich in der alleinigen Deutungshoheit des Islam, jede Abweichung wird als unislamisch diffamiert, verurteilt, bekämpft. Genauso agiert auch der IS.

Die Wahhabiten (Sunniten) des heutigen Saudi-Arabiens standen seit jeher in engem Kontakt mit den Stammesführern und halfen dereinst Abd al-Aziz ibn Saud bei der Staatsgründung (1932). Von dieser Achse zwischen Königspalast und Moschee profitierten beide Seiten – bis die Osamas und Baghdadis (IS-"Kalif") dem Land den Kampf angesagt haben.

Im eigenen Land halten die Saudis mit aller Macht dagegen, in Syrien schaut es anders aus. Zwar ist der Golfstaat Teil der Anti-IS-Allianz, doch wird die Sunniten-Miliz auch als Bollwerk gegen Assad gesehen, die verhindern könnte, dass sich der "schiitische Halbmond" weiterhin vom Libanon (Hisbollah) über Damaskus (von Teheran unterstützt) und den Irak bis in den Iran zieht. Mächtige Zirkel fördern den IS, manche meinen sogar, auch Saudi-Arabien als Staat (zumindest früher).

Saudisches Dilemma

Das zeigt das Dilemma des Königshauses: Obwohl ideologisch gar nicht so weit entfernt und dazu potenzieller Bündnispartner, stellt der IS eine direkte Bedrohung für Riad dar. Und das in einer Zeit, in der der Staat an mehreren Fronten Probleme hat: Der anhaltend niedrige Ölpreis setzt dem weltweit größten Exporteur dieses Rohstoffes massiv zu. Dazu kommen die Spannungen mit den Schiiten, die bis zu 15 Prozent der Bevölkerung (knapp 30 Millionen Einwohner) ausmachen und vor allem in den Ölfördergebieten im Osten leben. Seit der Hinrichtung des berühmten schiitischen Klerikers Nimr al-Nimr im Jänner hat sich die Situation weiter verschärft.

Kranker König

Ferner ist König Salman mit seinen 80 Jahren und wegen einer schweren Krankheit nicht fähig, selbst das Land zu regieren. Der starke Mann ist sein Sohn Mohammed bin Salam, 30. Er ist Verteidigungsminister und hat als solcher die militärische Intervention im Jemen zu verantworten. Hier kämpfen seine Soldaten seit dem Vorjahr mit mäßigem Erfolg gegen schiitische Houthi-Rebellen, die vom Erzrivalen Iran unterstützt werden. Dabei geht es auch um die Vormachtstellung in der Region zwischen Teheran und Riad. Nachdem der Iran mit dem Atomdeal die internationale Blockade durchbrechen konnte, hat Saudi-Arabien in diesem "Spiel" ebenfalls schlechte Karten.

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