Anschlag auf Türkenpartei-Chef vereitelt
In Bulgarien ist ein mutmaßlicher Anschlag auf den Chef der Türkenpartei, Ahmed Dogan, vereitelt worden. Ein mit einer Pistole bewaffneter Mann kam an Dogan heran, als dieser am Samstag eine Rede vor einem Kongress seiner Partei DPS hielt (siehe Bilder und Video). Der Mann wurde festgenommen, bevor er schießen konnte. Die Waffe des 25-Jährigen sei eine Gaspistole gewesen, sagte Innenminister Zwetan Zwetanow.
Anschlag inszeniert?
Obwohl alle politischen Kräfte in Bulgarien den vereitelten Anschlag auf Dogan scharf verurteilt haben, mehren sich die Vermutungen, dass es sich dabei um eine Inszenierung gehandelt haben könnte. Der Abgeordnete der oppositionellen sozialistischen Partei, Anton Kutew, schloss als erster eine geplante Inszenierung nicht aus. "Offensichtlich wurden wir Zeugen von einem Schauspiel, die Frage ist, wer das Drehbuch dazu geschrieben hat", erklärte Kutew gegenüber dem Staatsradio. Ihm zufolge sind die Ursachen für den inszenierten Anschlag innerhalb der Türkenpartei DPS zu suchen, und schloss nicht aus, dass die Drahtzieher im Parteivorstand sitzen. "Das Ziel war ganz eindeutig, großes Aufsehen zu erregen", sagte der Sozialist.
Der Sicherheitsexperte der oppositionellen bürgerlichen Parlamentspartei "Demokraten für ein starkes Bulgarien" (DSB), Atanas Atanassow, geht ebenfalls von einer Inszenierung des vereitelten Anschlags auf Dogan aus. "Es ist sehr merkwürdig, wie der Täter vor laufenden Kameras auf die Bühne gelangen konnte, und dazu noch mit einer Pistole mit Ladehemmung", erklärte das Vorstandsmitglied der DSB im privaten Fernsehsender bTV.
Der Vorsitzende der parlamentsvertretenen nationalistischen Ataka-Partei, Wolen Siderow, kommentierte den Vorfall auf dem Parteitag der DPS ebenfalls als "äußerst fragwürdig" und kritisierte aufs Schärfste die Sicherheitsvorkehrungen bei dem Forum. Siderow forderte den Rücktritt des Chefs des Nationalen Bewachungsdienstes, der für den Personenschutz von allen führenden politischen Persönlichkeiten in Bulgarien, einschließlich Achmed Dogan, zuständig ist.
Bewachungsdienst wird überprüft
Auf einer Pressekonferenz nach dem vereitelten Anschlag auf Achmed Dogan betonte der Chef des Nationalen Bewachungsdienstes NSO, General Todor Kodschejkow, mit der Sicherheitsüberwachung des Parteitages der DPS sei eine Privatfirma beauftragt worden. Das Verhalten des NSO-Personenschutzes von Dogan werde noch untersucht.
In einer über seine Pressestelle verlauteten Stellungnahme verurteilte der bulgarische Staatspräsident Rossen Plewneliew den Anschlag und betonte, "Bulgarien ist für die ethnische und religiöse Toleranz bekannt".
In einer ersten Reaktion nach dem Anschlag sprach der Vorstand von Dogans liberaler Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) von einer "gezielten Konfrontation und Aggression gegen die DPS in der bulgarischen Gesellschaft". Auch der Präsident der europäischen Liberalen, Graham Watson, der Gast der Konferenz war, zeigte sich besorgt über die politischen Zustände im Land: "Die Liberalen sind immer mehr besorgt über die Freiheit und die Rechtsstaatlichkeit unter Ministerpräsident Boiko Borissow."
Unterstützung für Türken-Partei schrumpft
Die von Dogan gegründete Bewegung der türkischen Minderheit DPS ist seit der Wende 1989 im bulgarischen Parlament und seit dem EU-Beitritt des Landes 2007 auch im Europaparlament vertreten. Die DPS war bis Mitte 2009 an einer sozialliberalen Koalitionsregierung in Sofia beteiligt. Rund zehn Prozent von Bulgariens Bevölkerung von 7,3 Millionen Menschen sind ethnische Türken.
Seit mehreren Monaten schrumpft jedoch die Unterstützung für die Türken-Partei und insbesondere für Parteichef Dogan. Zog die DPS 2009 mit 14 Prozent der Stimmen ins Parlament, rechnen jüngste Meinungsumfragen mit knapp sechs Prozent der Stimmen für Dogans Partei bei den im Sommer bevorstehenden Parlamentswahlen. Die Stammwähler der DPS, die türkische und moslemische Minderheit in Bulgarien, gehören zu den ärmsten Bevölkerungsschichten in Bulgarien. Nach der Wende galten Achmed Dogan und seine Partei als Hoffnungsträger der Minderheit für den Schutz ihrer politischen und sozialen Interessen im Parlament. Nun wirft sie Dogan und seinen engsten Vertrauten vor, in den Nachwendejahren nur sich selbst bereichert zu haben.
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