EU-Libyen-Einsatz "wirksam, aber gefährlich"
Frühherbst 2011: Der Bordhubschrauber der deutschen Fregatte "Köln" steigt auf und stoppt vor der Küste Somalias ein Schnellboot von Piraten, die das Horn von Afrika unsicher machen. Auch das Mutterschiff der Freibeuter wird aufgebracht. Dann versenken die Soldaten (im Rahmen der EU-Mission "Atalanta") beide Kähne, zwölf Verdächtige werden an einem Strand abgesetzt. Monate später war man nicht mehr so zimperlich: Der Kampf gegen die Piraten wurde auch an Land geführt. "Die Operation war sehr erfolgreich – vor allem deswegen, weil es zu einem Zusammenspiel der Angriffe auf See und an der Küste gekommen ist", analysiert Brigadier Walter Feichtinger vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Österreichischen Landesverteidigungsakademie.
Strategie
Mit einer ähnlichen Strategie will die EU nun jener Schleppermafia das Handwerk legen, die Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa schleust. "Die Union ist in dieser Frage unter Druck, weil die Hochsaison erst beginnt: Mit besser werdendem Wetter werden immer mehr Menschen die Überfahrt wagen", ist Feichtinger überzeugt. Dazu wurde nun eine Dreistufen-Plan erarbeitet:
Phase 1 Zunächst sollen mit Satellitentechnik die Routen der Schlepper ausgekundschaftet werden. "Das ist Standard, um zu definieren, wo man ansetzen muss und mit welchen Mitteln", sagt der Brigadier. Diese Informationen würden dann über das geplante Hauptquartier der Mission, das in Italien eingerichtet wird, an alle beteiligten Länder verteilt werden.
Phase 2 In weiterer Folge sollen Schlepperboote aufgebracht, durchsucht, beschlagnahmt oder auch zerstört werden. "Dazu ist jedenfalls ein Mandat des Sicherheitsrates nötig, denn im Extremfall kommt es dabei zur Gewaltanwendung, die sich kein Land oder keine Institution selbst anmaßen kann", analysiert Feichtinger. Er teile den Optimismus von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, dass es dazu kommen werde, "denn letztlich kann es auch der UNO nicht egal sein, wenn ein weiteres Sicherheitsproblem hochkocht". Konkret würden, so der Experte, zuerst die Flüchtlinge auf EU-Begleitboote verfrachtet, dann die klapprigen Kähne auf See versenkt werden – "ökologische Fragen sind da nachgereiht", zeigt sich Feichtinger pragmatisch. Wobei er bei der Zerstörung von aufgebrachten Flüchtlingsschiffen vor Ort einen großen Unterschied zu Somalia sieht: "Dort waren nur Gegner in einem Boot, im Mittelmeer sind es Gegner und Schutzbedürftige."
Phase 3 Auf dieser Stufe wären Kampfeinsätze in libyschen Häfen oder anderswo auf dem Festland möglich. "Von einem militärischen Standpunkt aus und nach den Erfahrungen aus Somalia ist das komplett nachvollziehbar: Es ist am wirksamsten, ein Problem beim Ursprung zu bekämpfen, allerdings auch am gefährlichsten", so der Offizier. In absehbarer Zeit sei dies aber wohl keine "realistische Option".
Das Problem sei die Abstimmung mit der libyschen Regierung, die es allerdings in zweifacher Ausprägung gibt. "Hier ist das Dilemma der EU. Hochoffizielle Kontakte mit der Gegenregierung (in Tripolis) kann es nicht geben, allerdings sind sie notwendig und müssen eingefädelt werden – etwa über den UN-Sondervermittler für Libyen", betont Feichtinger, der folgenden Kompromiss für denkbar hält: Eine Duldung durch die Stellen in Tripolis und eine Ermächtigung der anerkannten Regierung im ostlibyschen Tobruk, die allerdings die Pläne der EU am Dienstag abgelehnt hat.
Österreichs Beitrag
Eine österreichische Beteiligung an der Mission mit Offizieren im Kommandostab in Italien sei unproblematisch, so der Brigadier, "unsere Experten haben die Erfahrung etwa aus Afghanistan". Auch ein späterer Bodeneinsatz von Spezialisten des Jagdkommandos sei denkbar, wenn es "ein UN-Mandat und einen Beschluss in Österreich gibt."
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