Mutmaßlicher Bombenleger vor Gericht

Bei Anschlag auf Boston-Marathon starben 2013 drei Menschen, hunderte wurden verletzt. Prozess hat begonnen.

In Boston startete am Montag der Prozess um den Terroranschlag auf den Marathonlauf am 15. April 2013. Der mutmaßliche Bombenleger Dzhokhar Tsarnaev muss sich vor einem Bundesgericht für den Tod von drei Menschen bei dem internationalen Sportereignis verantworten. Mehr als 260 weitere wurden außerdem verletzt, als nahe der Ziellinie des Marathons zwei Bomben explodierten.

Laut Staatsanwaltschaft hatten der Angeklagte sowie sein älterer Bruder Tamerlan Tsarnaev auf der Zielgeraden des Marathons zwei selbstgebastelte Bomben in Rücksäcke versteckt. Tamerlan Tsarnaev sowie ein Polizist kamen nach dem Anschlag bei einer Verfolgungsjagd ums Leben. Es handelt sich um den schwersten Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001. Falls er verurteilt wird, droht Tsarnaev die Todesstrafe.

Der Prozess begann am Montag mit der Geschworenenauswahl aus einer Gruppe von 1200 Kandidaten. Bestimmt werden müssen 12 Juroren und sechs Ersatzgeschworene. Allein diese Prozedur dürfte wegen der Bedeutung des Falles und der möglichen Todesstrafe für den Angeklagten Wochen dauern. So gilt es, Geschworene zu bestimmen, die nicht aus prinzipiellen Gründen strikt gegen die Todesstrafe sind. Dem Boston Globe zufolge könnte es gut sein, dass die eigentliche Verhandlung erst im Februar beginnt und der Prozess bis zum Frühsommer dauert.

Tsarnaev plädiert in allen 30 Anklagepunkten auf nicht schuldig. Das Ersuchen der Verteidigung, das Verfahren an einen Ort außerhalb Bostons zu verlegen, hatte der Richter zurückgewiesen.

Der Anschlag und die Folgen

Dzhokhar Tsarnaev war bei dem Anschlag 19 Jahre alt, der junge Mann tschetschenischer Abstammung lebte seit langem in den USA, ging dort auf eine gute High School, besitzt sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sein älterer Bruder Tamerlan Tsarnaev, der laut Anklage an dem Anschlag beteiligt war, kann nicht mehr vor Gericht erscheinen - er starb bei einer anschließenden Schießerei mit der Polizei. Nach den Worten eines behandelnden Arztes hatte sein Körper so viele Einschusslöcher, dass man sie nicht mehr zählen konnte.

Der Anschlag von Boston erschütterte Amerika. Es herrschte Ratlosigkeit. "Warum haben junge Männer, die hier aufgewachsen und studiert haben, zu so starker Gewalt gegriffen?", fragte Präsident Barack Obama. Ob diese Frage bei dem Prozess wirklich geklärt werden kann, ist fraglich. Insgesamt muss sich Tsarnaev wegen 30 Anklagepunkten verantworten - unter anderen wegen des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen.

Die Bomben lösten eine Großfahndung aus, die selbst für US-Verhältnisse atemberaubend war. Videoaufnahmen vom Tatort führten auf die Spur der beiden Brüder. Die tagelange Suche eskalierte zu einer wilden Verfolgungsjagd, in deren Zuge die beiden Brüder zeitweise einen Autofahrer kidnappten. Die Jagd führte durch mehrere feine Vororte, zeitweise rief die Polizei rund eine Million Menschen auf, nicht auf die Straße zu gehen. Die ganze Stadt war gelähmt.

Zeitweise löste das Verbrechen politische Reibereien auf internationaler Ebene aus. Der russische Staatschef Wladimir Putin schaltete sich höchstpersönlich ein. Es gebe keine "russische Spur", wies er jede Spekulation zurück, plädierte für einen "Schulterschluss" mit den USA in Sachen Terrorismusbekämpfung.

Tsarnaevs Botschaft

Das Netz um den 19-jährige Dzhokhar Tsarnaev wurde unterdessen immer enger. Nach dem Tod des Polizisten und seines älteren Bruders flüchtete sich er sich in den Vorort Watertown. Das Ende hatte bizarre Züge: Zuletzt versteckte sich der Flüchtende in einem Boot, das in einem Garten eines Hauses auf dem Trockenen lag. Spezialeinheiten rückten samt Panzerwagen vor. Nachdem der junge Mann geschnappt wurde, gingen Hunderte Einwohner in Watertown auf die Straße, jubelten und riefen "USA, USA".

In der Anklageschrift heißt es, Tsarnaev habe in seinem Versteck eine Botschaft hinterlassen. "Die US-Regierung tötet unschuldige Zivilisten", habe er auf die Innenwand des Bootes geschrieben. "Ich schaffe es nicht, so viel Böses zu sehen, das ungesühnt bleibt. Wir Muslime sind eins, wenn man einen verletzt, verletzt man uns alle." Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten sich die Täter auf Webseiten von Al-Kaida ihre Kenntnisse zum Bombenbauen angeeignet.

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