Letzte Küsschen für Angela

Gespräche unter Freunden: Barack Obama bei seinem Abschiedbesuch in Hannover
Obama ist ein letztes Mal bei Merkel: Er stärkt ihr den Rücken, sie wirbt für sein Projekt TTIP.

"Unsere bilateralen Beziehungen sind gut, da brauchen wir nicht viel Zeit drauf zu verwenden", sagt Angela Merkel lachend; Barack Obama nickt. Der scheidende US-Präsident darf sich bei seinem letzten Besuch in Deutschland fühlen wie ein alter Freund – er sagt das sogar: "Meine Freundin und Partnerin" nennt er die deutsche Kanzlerin, die ihn nach Hannover eingeladen hat.

Dass Obamas Abschied nicht in Berlin zelebriert wird, hat einen einfachen Grund. Obama geht es um seine "Legacy", um sein letztes Großprojekt. Bis Ende dieses Jahres will er das Freihandelsabkommen TTIP unter Dach und Fach haben, im Rahmen der Wirtschaftsmesse in Hannover rührt er dafür die Werbetrommel. Es ist ein Besuch, der schöne Bilder produzieren soll – beide Protagonisten haben die nötig: Für Merkel, deren Stand ob Flüchtlingskrise und Türkei-Querelen nicht der leichteste ist, ist die Visite der erste Positiv-Moment seit Langem.

"Müssen uns sputen"

Obama stärkt Merkel deshalb ausgiebig den Rücken. Er lobt ihre mutige Haltung in der Flüchtlingsfrage; betont, dass ihre Geradlinigkeit wohl daran liege, dass sie "selbst hinter einer Mauer gelebt" habe. "Sie steht auf der richtigen Seite der Geschichte", sagt Obama werbewirksam. Merkel dankt es ihm, indem sie Partei für sein Projekt ergreift. "Wir müssen uns sputen", sagt sie in der gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema TTIP – schließlich sei das parallel mit den Pazifik-Staaten ausverhandelte TTP-Abkommen schon deutlich weiter.

So viel Einigkeit wäre vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen. Vor Obamas erstem Wahlsieg hatte die deutsche Kanzlerin durchaus große Zweifel an ihm; den Wunsch, eine Rede vor dem Brandenburger Tor zu halten, schlug sie dem wahlkämpfenden Obama im Jahr 2008 noch aus. Dessen "Popstar-Image" gefalle ihr nicht, hieß es damals aus Regierungskreisen. Heute heißt es eben dort, dass die transatlantischen Beziehungen trotz diverser Schwierigkeiten wie der NSA-Affäre nie besser gewesen seinen als jetzt. In der Bevölkerung verhält es sich genau umgekehrt: Von der Euphorie der 200.000 Menschen, die Obama 2008 dann schlussendlich an der Siegessäule zujubelten, spürt man heute nichts mehr – dafür ist die Ablehnung umso größer. Am Vortag gingen Zehntausende Menschen in Hannover gegen TTIP auf die Straße.

Gute Stimmung

Auf diese Ablehnung gehen beide am Sonntag wohlweislich nicht ein. Auch die Differenzen, die die beiden zuletzt durchaus hatten, streift man nur kurz. Dass Obama etwa schon vor seinem Besuch ein deutsches Militär-Engagement an der Ostflanke der NATO eingefordert hat, als Abschreckung gegen Russland quasi, will Merkel neben ihm besser nicht bewerten; zu sehr ist man auf gute Stimmung bedacht. Obama belässt es dann auch dabei, eine Erhöhung der NATO-Militärausgaben der Europäer einzufordern – und Merkel nochmals für ihre Rolle in der zerstrittenen EU zu loben. Dass sie dort seit einiger Zeit nicht mehr die unangefochtene Taktgeberin ist, besorgt die USA sehr.

Kritik am jeweils anderen hört man nicht. Bevor die beiden zur Eröffnung der Messe weiterziehen, demonstrieren sie nochmals, dass kein Blatt Papier zwischen sie passt: Es sei "fantastisch, dass Frau Merkel noch immer im Amt ist", sagt der US-Präsident; neidisch, dass er das bald nicht mehr sein wird, sei er nicht. Was seine möglichen Nachfolger angeht, bleibt Merkel vage. Auch, dass sowohl Clinton als auch Trump sich von TTIP distanziert haben, macht man heute nicht zum Thema. "Ich beobachte den US-Wahlkampf mit Interesse", sagt Merkel zurückhaltend – und lässt unerwähnt, wie sehr man in Berlin einen Präsident Trump fürchtet: Die Vorstellung, dass der Brachial-Politiker eine Rede vor dem Brandenburger Tor halten könnte, bereitet bereits jetzt vielen Kopfzerbrechen.

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