Alarmstimmung in Europa nach Gewalteskalation

Angela Merkel und Francois Hollande
Hollande und Merkel tief besorgt. Am Donnerstag werden Strafmaßnahmen gegen die Ukraine verhängt.

Die Gewalt-Eskalation der letzten Tage war zu viel: Nach wochenlangem Zögern will die EU am Donnerstag – spät, aber doch – mit Sanktionen auf die Entwicklungen in der Ukraine reagieren. In einem kurzfristig einberufenen Sondertreffen sollen die EU-Außenminister Donnerstagnachmittag über konkrete Schritte beraten – und sie dann auch gleich absegnen.

Man werde "finanzielle Sanktionen und wie die USA Visa-Beschränkungen" gegen Regierungsfunktionäre der Ukraine beschließen, kündigte Ratspräsident Herman Van Rompuy an. Es soll eine Liste von Personen geben, deren Konten in Europa gesperrt werden bzw. denen die Einreise in die EU verweigert wird.

"Schockierend"

Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Hausbank der EU, hat ihre Projekte in der Ukraine am Mittwoch bereits auf Eis gelegt . Dass heute weiterreichende Schritte folgen werden, daran zweifelt in Brüssel niemand mehr wirklich – auch wenn Diplomaten aus mehreren Ländern bis zuletzt warnten, Sanktionen könnten die Ukraine "in die Arme der Russen treiben".

Doch Berlin und Paris scheinen sich in der Sanktionen-Frage einig: Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte am Mittwoch die brutale Gewalt, die in der Nacht zuvor in Kiew für Tote gesorgt hatte: "Diejenigen, die sich für diese Taten zu verantworten haben, müssen wissen, dass sie auf jeden Fall sanktioniert werden", sagte Hollande nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Paris. Sie bezeichnete die Bilder vom Kiewer Unabhängigkeitsplatz als "schockierend"; das Vorgehen der Sicherheitskräfte könne man "nicht einfach hinnehmen".

Sikorski vermittelt

Merkel sagte aber auch: "Sanktionen allein reichen nicht. Wir müssen den politischen Prozess wieder in Gang bringen." Dazu sollten auch die Kontakte "in Richtung Russland" genutzt werden.

Parallel zu der Debatte über Sanktionen startete die EU am Mittwoch eine neuerliche Vermittlungsmission: Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski soll im Auftrag der EU-Außenbeauftragten Ashton in Kiew Gespräche mit Regierung und Opposition führen.

Konten in Österreich

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz zitierte am Mittwoch den ukrainischen Botschafter in Wien zu sich – eine "Ohrfeige" im diplomatischen Sinne. Kurz sprach sich auch für "zielgerichtete Sanktionen" aus "gegen jene, die für die Gewalteskalation verantwortlich sind". Finanz-Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) verlangte unterdessen, dass Oligarchen, die die Eskalation unterstützt hätten, der Zugriff auf all ihre Bankkonten in Österreich gesperrt werden soll.

Auch im EU-Parlament will man so den Druck auf die reichen Männer im Umfeld von Präsident Janukowitsch verstärken: ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas fordert, die EU-Geldwäscherichtlinie sollte genutzt werden, um zu "prüfen, ob das ukrainische Geld außerhalb der Ukraine sauber ist".

Moskau habe der ukrainischen Führung keine Ratschläge zum Krisenmanagement gegeben und dies auch nicht vor. Es sei das "ausschließliche Vorrecht der legitimen ukrainischen Behörden, die Methoden zur Lösung der in der Republik entstandenen Probleme festzulegen." Mit diesen Worten parierte der Pressesprecher von Wladimir Putin Fragen nach Details eines Telefonats zwischen dem Kremlchef und dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in der Nacht zum Mittwoch, in dem Putin von einem "Putschversuch" in der Ukraine gesprochen haben soll.

Der blutige Machtkampf in der Ukraine – am Anfang war die Entscheidung des ukrainischen Kabinetts vom 21. November gestanden, den Assoziierungsprozess mit der EU auszusetzen und stattdessen die Kooperation mit Russland auszubauen – sind ein neuer Stresstest für das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen.

Aggression geduldet

Europa und die USA hätten mit Duldung aggressiver Handlungen der radikalen Kräfte in der Ukraine dafür gesorgt, dass der Konflikt zwischen Macht und Opposition nach kurzer Pause erneut eskalierte, heißt es in einem Kommentar auf der Website des russischen Außenamtes.

Den USA warf Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch "unverfrorene Einmischung in die Angelegenheiten der Ukraine" vor. Washington versuche, Kiew den westlichen Entwicklungsweg als einzig richtigen aufzuzwingen.

Moskau dagegen will einen Beitritt der Ukraine zu Strukturen wie Zoll- und Eurasischer Union, mit denen Moskau die UdSSR-Spaltprodukte reintegrieren möchte – das hätte auch Sogwirkung für Unentschlossene. Um Kiew die "Wahl" zu erleichtern, will Russlands Finanzminister Anton Siluanow noch diese Woche weitere ukrainische Staatsanleihen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar kaufen.

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