Vorübergehend willkommen

Zwei Afghaninnen treten die Reise zurück ins Heimatland an.
Rund 100.000 Menschen verlassen derzeit pro Monat das Land. Heuer in Ö fünf Mal so viele Afghanen wie 2014.

Wenn in Österreich von "Asyl auf Zeit" gesprochen wird, dann könnte das vor allem eine Gruppe betreffen: die Afghanen. Sie sind nach den Syrern die zweitgrößte Gruppe von Flüchtlingen. Rund 15.000 Asylanträge wurden in diesem Jahr von Afghanen gestellt – fast ein Viertel aller Anträge bei österreichischen Behörden.

Und während sich Berichte über Flüchtlinge zuletzt vor allem auf Syrer und Iraker konzentrierten, stieg die Zahl der Menschen, die aus Afghanistan fliehen, weiter an. Etwa 100.000 Afghanen verlassen pro Monat ihre Heimat, melden deutsche Behörden. Um ein Drittel mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. In Österreich kamen heuer fünf Mal so viele Afghanen an wie 2014.

Denn der Gewalt, die am Hindukusch von den radikalislamischen Taliban ausgeht, steht eine instabile Politik, Korruption und eine schlechte wirtschaftliche Lage gegenüber. Zu Beginn des Jahres hatten die Taliban eine neuerliche Offensive gestartet, vor wenigen Wochen das bevölkerungsreiche Kunduz eingenommen. Die Angst steigt: Täglich werden mehrere tausend Pässe von Fluchtwilligen beantragt.

Teures Ticket

Profiteure sind einmal mehr die Schlepper. Am Dienstag warnte der deutsche Auslandsgeheimdienst vor einem "hoch professionellen Schleppernetzwerk" von Afghanistan bis Europa. Die Fluchtroute führt über den Iran und die Türkei nach Griechenland. Dann über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien nach Österreich.

Der Eintritt in den Iran wird zunehmend gefährlicher. Es wird berichtet, dass Afghanen, die illegal über die Grenze wollen, einfach erschossen wurden. Wer es sich leisten kann, nimmt stattdessen das Flugzeug nach Istanbul. Neben dem Ticket muss man dann aber auch mehrere Tausend Dollar für ein Visum zahlen. Das leisten sich meist nur wohlhabendere Bürger. Auch das ist eine Gefahr für Afghanistan: Der gebildete Mittelstand hinterlässt ein Loch im Heimatland, dessen Zukunft immer ungewisser wird.

Allerdings gehen auch viele Afghanen wieder zurück. Fast 100.000 waren es im Vorjahr. Vor allem aus den Nachbarstaaten Pakistan und Iran, wo sie sich immer schlechter behandelt fühlen. Pakistan hat selbst eine Million interne Flüchtlinge, ihnen stehen drei Millionen Afghanen gegenüber. Pakistans Behörden weigern sich jetzt, den Afghanen 2016 ihre Personalausweise zu verlängern. Die Chancen auf Job und Leben im Land werden dadurch zunichte gemacht.

Kaum Abschiebungen

Wer es schafft, tritt die Weiterreise gen Westen an. Mit unterschiedlichen Chancen auf eine Zukunft: Während etwa in Deutschland weniger als die Hälfte der Afghanen auf Asyl hoffen kann, stehen die Chancen in Österreich besser.

Rund 90 Prozent der afghanischen Asylwerber bekommen hier Asyl oder "subsidiären Schutz", der je nach Bedarf jedes Jahr verlängert wird – also de facto ist es jetzt schon etwas Ähnliches wie "Asyl auf Zeit". Es gibt vereinzelt freiwillige Heimkehrer, aber kaum Abschiebungen. Die österreichischen Behörden können die Betroffenen auch nicht nach Hause schicken, weil es kein Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan gibt. Die EU versucht derzeit, ein solches mit der Regierung in Kabul auszuhandeln.

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