"Junge sollen keine Forderungen stellen"

Sisi-Kult im Land am Nil. Abdel Fatah al-Sisi wird aller Voraussicht nach der neue ägyptische Präsident.
In einer Woche wird der neue Präsident gewählt. Wie der die Wirtschaft retten soll, weiß keiner.

Mehr als drei Jahre sind die Ägypter ihren "Pharao" Hosni Mubarak jetzt los. Was als Kampf für Freiheit, Würde und Brot begonnen hatte, mündete in einer schweren Wirtschaftskrise. Nach drei Jahren in der Misere hoffen die Menschen jetzt endlich auf Stabilität. Am 26. und 27. Mai wählt Ägypten seinen neuen Präsidenten. Der Sieger steht bereits fest.

Abdel Fatah al-Sisi war vom damaligen Präsidenten Mohammed Mursi im August 2012 zum Verteidigungsminister gemacht worden. Das roch damals nach Absprache zwischen regierenden Muslimbrüdern und übermächtiger Armee. Der Armeechef selbst war es, der den Aufstand gegen Mursi ein Jahr nach dessen Amtsantritt eiskalt ausnutzte und den Präsidenten im Juli absetzte und so den Weg für seine eigene Kandidatur ebnete, die er Ende März bekannt gab. Der Wahlkampf steht nun ganz im Zeichen des Kampfes gegen radikale Islamisten und die Muslimbrüder im Besonderen.

Sisi hat keinen Plan

Doch alle fragen sich: Was ist Sisis Plan für die ägyptische Wirtschaft? Die staatlichen Reserven sind leer, die Schulden liegen bei mehr als 104 Prozent des BIP, das Defizit bei 13,6 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 13,4 Prozent. Ein mit Mursi ausgedealter IWF-Kredit wird nicht ausgezahlt, solange das Subventionssystem nicht reformiert wird.

"Junge sollen keine Forderungen stellen"
Noch hält man sich mit Krediten über Wasser, die die Golfstaaten im Vorjahr gewährt haben, doch der Tourismus ist weiter am Boden, Investitionen aus dem Ausland fehlen und die Inflation liegt bei fast 14 Prozent.

Angeblich ist eine von Sisi bestellte Expertengruppe derzeit dabei, einen Wirtschaftsplan zu erstellen. Die Herren sollten sich nicht mehr lange Zeit lassen, denn ihr Chef braucht dringend konkrete Maßnahmen, die er in seinen Reden verlautbaren kann. Denn bisher klang das eher unbeholfen: "Die Jungen sind Ägyptens Hoffnung. Sie müssen fragen, was sie geben können, anstatt Forderungen zu stellen. Bevor sie heiraten oder zu ‚leben‘ anfangen, sollen sie das Land aufbauen." Es war nicht schwer, diese Aussage in den falschen Hals zu bekommen. Die unter 30-Jährigen, das sind 60 Prozent der Ägypter. Sie machen mehr als zwei Drittel der Arbeitslosen aus. "Wie viel weiter können sie den Gürtel enger schnallen", fragt Wirtschaftsjournalist Mohamed El Dashan im Foreign Policy Magazine.

Ohne konkreten Plan für die Wirtschaft hat Sisi mit vagen Aussagen aber schon angedeutet, was in seiner Amtszeit kommen wird: Sparpakete (unter anderem bei der öffentlichen Versorgung) und höhere Steuern.

Und dann wäre da noch die ewige Frage, wann und in welcher Form die irrsinnigen Subventionen für Brot und Treibstoff fallen werden. Die ägyptische Wirtschaft kann sie längst nicht mehr tragen. Doch jedem Politiker, der sie abschaffen will, droht eine Protestwelle.

Auch der einzige Gegenkandidat von Ex-Armeechef Sisi, der säkulare Linkspolitiker Hamdeen Sabbahi, der bei den Wahlen 2012 dritter wurde, scheut Ansagen über die Subventionen. Er hat aber bei der Wahl kaum Chancen.

"Starker Mann"

Die Bevölkerung ist gespalten. Doch die meisten, die nächste Woche zur Urne gehen, werden für Sisi stimmen. Sie haben es mit der Freiheit versucht und mit den Islamisten, sagt Autor Hamed Abdel-Samad (siehe Interview). Jetzt lege die Mehrheit die Hoffnung in den "starken Mann", der endlich die ersehnte Stabilität bringen soll. 100 Tage brauche er dafür, rechnete Sisi in einem Interview vor.

"Wir haben für Freiheit, Würde und Brot gekämpft", sagt eine junge Ägypterin. "Wir wollen nicht sterben, ohne Ergebnisse gesehen zu haben." Doch in seinen Ansprachen klingt Sisi weniger zuversichtlich: "Die nächste und vielleicht übernächste Generation" müsse sich gedulden, warnt er. Das tut nur jemand, der sich des Sieges gewiss ist.

Mit Titeln wie „Der islamische Faschismus“ zieht der in Ägypten geborene Deutsche auch Sympathien der europäischen Rechten und Islamkritiker an. Mit dem KURIER sprach er über...

.... die Wahlen und die Tatsache, dass beide Kandidaten Säkulare sind Das sehe ich positiv. Wobei – Wahlen alleine reichen nicht aus, um einen demokratischen Staat wiederherzustellen. Das haben wir im Fall Mursi gesehen. Es scheint schon entschieden zu sein, wer der nächste Präsident sein wird. Auch ohne Manipulation oder irgendwas, denn Al-Sisi ist sehr populär. Das ist logisch, nachdem die Ägypter es mal mit der Revolution, mit der Freiheit versucht haben, mal mit Scharia und Muslimbrüdern. Und sie haben gemerkt, sie können sich weder von Scharia noch von Freiheit ernähren. Sie brauchen Strukturen, sie brauchen Arbeit. Sie scheinen das weder beim liberalen, noch beim islamistischen Lager gefunden zu haben. Da wird man schon ein bisschen rückfällig. Das demokratische Lager hat die letzten drei Jahre verschlafen.

...den Ausschluss der Muslimbrüder von der politischen Bühne Auch Sisi wird sich irgendwann in Verhandlungen mit den Muslimbrüdern begeben. Zumindest, um nicht gestört zu werden. Man kann ja nicht in einem gespaltenen Land regieren. Nasser, Sadat, Mubarak: Alle brauchten die Islamisten. Aber sie an der Macht zu beteiligen wäre gefährlich. Es gibt auf der Welt kein Beispiel, wo das funktioniert. Denn das Ziel eines Islamisten, wenn er in die Politik geht, sind nicht wirklich gesellschaftliche Reformen, politische Reformen. Sondern er will eine ganz neue Gesellschaftsordnung schaffen – und zwar von oben, undemokratisch. Der politische Islam fühlt sich mit einem göttlichen Auftrag ausgestattet. Die Idee ist der Endsieg des Islam. Nicht das Volk macht die Gesetze, sondern Gott. Und die sind nicht verhandelbar.

... über Arrangements zwischen Sisi und den Salafisten Klar gibt es die. Wirklich säkular ist er nicht. Er glaubt, er habe den Islam vor den Muslimbrüdern gerettet. Es ist ja kein Kampf zwischen Islam und Anti-Islam. Sondern es geht um Deutung. Um politische Macht.

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