Jammer-Ossi und Besser-Wessi leben noch
Der Mann im Fernsehen heißt Erich Honecker", sagt Daniel Helbig zu seiner kleinen Tochter. "Und der daneben, der heißt Fidel. Fidel Castro."
Ostalgie-Welle
Großes Gefälle
Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts, hat in einer aktuellen Studie erhoben, wie sich Ost und West im vergangenen Vierteljahrhundert angenähert haben. "Das Ergebnis hat uns selbst erstaunt", meint er. Während sich Ost und West in puncto Kinderzahlen, Bildung oder Umweltbedingungen mittlerweile durchaus ähnlich sind, ist der Grenzverlauf bei Themen wie Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftskraft oder Vermögen noch immer derselbe wie im Jahr 1991. "Von einer flächenhaften Angleichung zwischen Ost und West kann keine Rede sein."
Gut sichtbar wird das beim Einkommen. Im Osten verdient man heute mit durchschnittlich 2800 Euro nur drei Viertel dessen, was im Westen auf dem Konto landet. Gerade mal 6 der 500 reichsten Deutschen wohnen östlich der ehemaligen Grenzen. Wer Geld hat, meidet den Osten – und investiert dort auch nicht: Keines der 30 größten Börsen-Unternehmen im Dax hat seine Zentrale im Osten.
Verlassene Dörfer
Die Konsequenzen daraus sind vor allem in den kleinen Städten sichtbar. Immer mehr Häuser stehen leer, die Dörfer veröden – Immobilien sind in den neuen Bundesländern im Schnitt nur halb so viel wert wie jene im Westen. Seit dem Mauerfall haben die ostdeutschen Bundesländer zwei Millionen ihrer einst 14,5 Millionen Bürger verloren.
"Vor allem die Jungen gehen," sagt Reiner Klingholz, und das bereite ihm Sorge. Denn dort, wo viel Platz ist, breiten sich gerne rechtsextreme Gruppierungen aus – was umgekehrt wiederum eine Zuwanderung von Migranten schwer macht. "2015 sagte nur jeder zweite Ostdeutsche, dass Zuwanderer in der Bevölkerung willkommen seien, während es in Westdeutschland zwei von drei waren."
Auch Umzüge von West nach Ost gibt es kaum. Das mag möglicherweise daran liegen, dass die Vorurteile zwischen den Bewohnern der ehemaligen Nachbarstaaten noch nicht ganz verschwunden sind – der unzufriedene Jammer-Ossi existiert in diesem Repertoire ebenso wie der arrogante Besser-Wessi, beides Relikte aus den 1990ern. Eine vollständige Angleichung, meint Klingholz, werde noch einige Zeit dauern. "Eine Generation zumindest", sagt er.
Era, Daniel Helbigs kleine Tochter, wäre genau in dieser Generation. Vielleicht hilft es ihr ja, dass sie Erich Honecker nur aus dem Kuriositätenkabinett ihres Vaters kennt.
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