Wirtschaftsflüchtlinge im Nadelstreif

Die erfolgreiche Jagd auf Steuerflüchtlinge brächte fünf Mal so viel, wie die Flüchtlingswelle die EU kostet.
Josef Votzi

Josef Votzi

Wirtschaftsflüchtlinge im Nadelstreif kosten uns fünfmal so viel wie Asylwerber.

von Josef Votzi

über die Steuertricks von Starbucks, Apple, Amazon & Co

Sie machen sich lautlos auf den Weg, sind penibel darauf bedacht, keine Spuren zu lassen und wechseln, wann immer es ihnen passt, die Grenze. Sie tragen klingende Namen wie Apple, Starbucks, Google, Amazon, McDonald’s, Chrysler oder Fiat.

Die Wirtschaftsflüchtlinge im Nadelstreif kosten die EU-Staaten allein vergangenes Jahr und heuer 50 bis 70 Milliarden Euro, rechnete jüngst der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici vor: "Das ist fünf Mal der Betrag, den die EU in den Jahren 2015 und 2016 für die Bewältigung der Flüchtlingskrise aufwendet."

Die EU-Kommission will nun die Steuerflüchtlinge in- und außerhalb der EU schärfer ins Visier nehmen. Erste Geldstrafen sollen zeigen, dass sie es ernst meint, sie blieben aber bisher nur symbolisch.

Denn die kreative Buchführung in vielen Multis kennt weiterhin keine Grenzen: Zwischen Konzerntöchtern mit "Steueroptimierungsbedarf" werden Kredite vergeben und die Steuerleistung so gegen null gesenkt. Firmenableger in Hochsteuerländern müssen hohe "Lizenzgebühren" für Nutzungsrechte aller Art an die Muttergesellschaft abliefern. Die verbucht die verschobenen Milliardengewinne ertragsschonend in einer Steueroase.

Die Fluchtwege der Steuertrickser bewegen sich oft am Rande des Erlaubten, sind aber legal. Findige Finanzchefs, Steuer - und Anwaltskanzleien sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Steuervermeidung ist kein Delikt und subjektiv verständlich. Sie ist aber weder fair noch gerecht. Zum Handkuss kommen nicht nur die vielen mittleren und kleinen Firmen, die mangels Auslandstöchtern keinen Cent vor dem heimischen Fiskus verstecken können. Gar nicht zu reden von den Millionen Arbeitnehmern, die sich ihr Gehalt nicht auf den Cayman Inseln auszahlen lassen können.

"Lux-Leaks" als Junckers schlechtes Gewissen Apple, Google, Amazon & Co sind Vorbilder an Unternehmergeist und Innovationskraft, im allgemeinen Zusammenleben freilich Sozialschmarotzer. Sie profitieren überall von staatlicher Infrastruktur und Dienstleistungen, zahlen aber nur Peanuts in die öffentlichen Haushalte ein. Gute Ideen für schärfere Waffen, um die Steuertrickser in Schach zu halten, gibt es genug: Von einer besseren Absprache zwischen den Finanzbehörden der EU-Staaten bis zu einer EU-weiten Steuerflucht-Abgabe ("Exit-Steuer") für Konzerne, die ihren Hauptsitz in Drittstaaten verlagern.

Skeptiker meinen, Ideen wie diesen droht ein ähnlich erbärmliches Schicksal wie der seit Jahren folgenlos diskutierten Finanztransaktionssteuer. In diesem Fall stehen die Chancen etwas besser: EU-Kommissionschef Juncker hat seine Behörde zur Speerspitze gegen die Steuertrickser erklärt – auch um sich vom Vorwurf reinzuwaschen, er habe einst als Finanzminister und Premier Luxemburg zum Paradies für Steuervermeider umgebaut. Die Vertreibung der Steuersünder aus Paradiesen wie diesen ist nicht nur ein Lackmustest für Brüssel. Sie wird auch zum Testfall für die Glaubwürdigkeit des vom "Lux-Leaks"-Skandal schwer angepatzten "Mister EU", Jean Claude Juncker.

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