Wir fordern Reisen für EU-Beamte

Brüssel und die EU-Verwaltung sind nicht böse, aber manchmal zu weit von den Problemen entfernt.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Brüssel und die EU sind nicht böse, aber manchmal zu weit von Problemen entfernt.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den "Brüsseler-Wahnsinn"

Wenn man an dieser Stelle die Europäische Union für ein im Prinzip vernünftiges Projekt hält, kommen eMails über den „Brüsseler Wahnsinn“ oder die „EU-Diktatur“ von alleine. Gegner des europäischen Projekts sind zum Teil emotionalisiert bis hin zum Fanatismus, zum Teil auch politisch gut organisiert. Soll sein, wir sind – im Gegensatz zu dem, was manche schreiben – ein freies Land.

Aber manchmal sieht es so aus, als würde die EU-Kommission alles dafür tun, negative Gefühle gegen ein geeintes Europa geradezu provozieren zu wollen. Die Kommission in Brüssel ist die vergleichsweise gar nicht so große Behörde, die unter anderem darauf zu achten hat, dass die EU-Verträge in allen Mitgliedsstaaten eingehalten werden. Das ist auch wirtschaftlich sinnvoll und schützt gerade kleine Staaten, etwa durch klare Regeln zum Wettbewerb.

In vielen Bereichen aber müssen auch das soziale Gefüge und gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt werden. Wenn Bulgaren und Rumänen nach Öffnung der Grenzen in reichere Länder kommen, dann besteht natürlich die Gefahr des Missbrauchs. Und zwar in vielfältiger Form. Aktuell geht es um die Frage, ob Zuwanderer Sozialleistungen (Hartz IV) bekommen sollen, wenn sie sich gar nicht um Arbeit bemühen. Nach deutschem Recht ist das ausgeschlossen, die EU-Kommission sieht das anders (siehe Seiten 4, 5).

Europa: Einsam oder gemeinsam?

Nun weiß man, dass nur rund 10 Prozent der in Deutschland lebenden Bulgaren und Rumänen Sozialleistungen beziehen, weil sie arbeitslos wurden. Aber wenn sich das Gefühl durchsetzt, und oft geht es nur um Gefühle, dass Armutswanderung unsere Sozialsystem kaputt macht, dann wird das die Mehrheit der Deutschen, der Österreicher nicht akzeptieren.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass nicht wenige Zuwanderer in den reichen Ländern ausgebeutet und zum Teil wie Sklaven gehalten werden. In einer Reportage im Magazin stern schildern junge Zuwanderer, wie sie für wenig Geld schuften müssen, um ihren Lohn betrogen und in Elendsquartieren untergebracht werden. Das wird es wohl auch bei uns und in anderen EU-Ländern geben und ist eine wirkliche Schande. Auch das sollten sich EU-Beamte einmal anschauen.

Aber grundsätzlich bleibt die Frage, ob die europäischen Länder ihre Wirtschafts- und Sozialsysteme gemeinsam besser entwickeln, oder ob sie als Nationalstaaten abgeschottet und alleine besser leben. Darum sollte es bei der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament gehen. Da ist der Schwenk von FPÖ-Obmann Strache interessant. Bisher wollte er eine Volksbefragung über den Euro, im letzten ZiB2-Interview wollte er davon nichts mehr wissen. Aber gerade die kommende Wahl ist eine gute Gelegenheit, mehr Demokratie für die europäischen Institutionen und mehr Realismus für die Beamten in Brüssel einzufordern.

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