Unsere letzte Chance: Österreich neu gründen

Von ein paar Reförmchen, die die Regierung vielleicht 2015 schafft, entstehen noch keine Arbeitsplätze.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das neue Jahr hat schon eine Überraschung gebracht

von Dr. Helmut Brandstätter

über Reformen, die weh tun

Das neue Jahr hat also schon eine Überraschung gebracht. Nein, nicht die hohen Arbeitslosenzahlen, die waren zu befürchten. Bundespräsident Heinz Fischer, ein Meister vor- und rücksichtiger Formulierungen, sieht "Veränderungsbedarf" in Österreich. Zu Neujahr meinte er sogar: "Trägt man diesem Veränderungsbedarf nicht oder zu wenig Rechnung, dann entstehen Spannungen und Probleme, die unsere Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigen."

So weit, so gut. Allerdings wird es nicht reichen, Vermögenszuwächse zu besteuern, wie Fischer verlangt, und mehr "zukunftstaugliche Investitionen" zu tätigen. Tief greifende Veränderungen traut sich der Bundespräsident nicht anzusprechen, obwohl sie die einzige Chance gegen die von ihm angesprochene "Sorge und Verdrossenheit" der Bevölkerung wären. Zu viele und zu mächtige Lobbys im Land würden gleich aufheulen. Dabei könnte sich gerade Heinz Fischer mit diesen anlegen.

Vor allem aber müsste eine Regierung, die mehr sein will als der verlängerte Arm der parteiinternen Lobbys von SPÖ und ÖVP, endlich grundsätzlich zur Sache gehen. Und das hieße nichts anderes, als das zu tun, was alle erfolgreichen Unternehmen machen: Strukturen und Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Denn mit ein paar neuen Steuern werden wir kein besseres Steuersystem zustande bringen, eine gerechtere Gesellschaft, mehr Arbeit und Wohlstand schon gar nicht.

Reformen tun gut, Reformen tun weh

Würden wir die Republik Österreich heute neu gründen, würden wir vielleicht wieder neun Bundesländer einrichten, weil viele Bürger eine Nähe zu ihrer Umgebung spüren. Aber wir würden sicherlich nicht so vieles gleichzeitig von Bund und den Ländern verwalten lassen, viele Sozialversicherungen und mehr als 100 Familienförderungen erfinden, uns unterschiedliche Dienst - und Pensionsrechte für Angestellte, Beamte im Bundes- und im Landesdienst ausdenken. Wir würden die Sinnhaftigkeit der unüberschaubar vielen Ausnahmen im Einkommenssteuerrecht hinterfragen, viele Förderungen von der Blasmusik bis zum Warmwasserspeicher komisch finden und Diesel nicht anders besteuern als Benzin. Jeder von uns kennt noch unzählige andere Beispiele. Aber hinter jeder Förderung und jeder Ausnahme steht eine Lobby, vor der sich jemand in der Regierung fürchtet. Das ist dann stets das Ende der Debatte.

Bundespräsident Fischer ortet zu Neujahr ein "Gefühl mangelnder Perspektiven für die Zukunft, vor allem bei jungen Leuten". Das führe zu Politikverdrossenheit. Es ist aber viel einfacher: Gerade junge Leute spüren, dass die aktuellen Modelle wie etwa unser Pensionsrecht nichts mehr taugen. Und sie sehen, dass es überall Veränderungen gibt. Nur die Politik lebt einen überkommenen Proporz-, Parteien und Kammernstaat. Der hat Österreich zwar nach dem Krieg aufgebaut, ist aber nicht zukunftstauglich. Welcher Politiker (Frau oder Mann) traut sich, das endlich auszusprechen?

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