Russland wird den Konflikt verlieren

Putins Vorstellungen sind völlig überholt. Am Ende helfen ihm weder Rohstoffe noch Nationalismus.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Russland wird den Konflikt verlieren.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Ukraine

Schon vor Monaten war für Kenner der Ukraine klar, dass jede künftige Entwicklung blutig sein werde. Die Frage war nur, wie offen sich Russland beim Nachbarn einmischen wird. Ein Bürgerkrieg, der nun im Osten des Landes begonnen hat, ist das ideale Szenario für Präsident Wladimir Putin. Er lässt organisieren, finanzieren und kämpfen. Das kurzfristige strategische Ziel ist klar: Die ukrainischen Wahlen vom 25. Mai müssen so chaotisch wirken, dass Putin einen gewählten Präsidenten nicht anerkennt. Und dann gibt es noch Putins Vision vom großen, mächtigen russischen Reich: Nationalistisch, orthodox und autoritär geführt.

Im Moment würde Putin natürlich jede Wahl gewinnen, Umfragen wollen von einer Zustimmung von 80 Prozent wissen. Soll sein. Aber in der Geschichte ließ sich langfristig noch nie ein Reich auf Panzern und Gewehrkolben aufbauen, an der Grenze zu einer funktionierenden Demokratie sicherlich nicht. Und wenn die Wirtschaft versagt, erst recht nicht.

Ja, da ist das russische Gas, das uns im Westen fast ehrfürchtig macht. Wer weiß, wie der kommende Winter wird. Aber Putin sollte einmal seine Berater fragen, wie er Wirtschaftswachstum ausschließlich auf Rohstoffen aufbauen will. Da sind auch die Saudis schon weiter, die Emirate ohnehin. Zwei Drittel der russischen Exporte bestehen aus Grundstoffen. Kein Land der Erde ist vom Rohölpreis so abhängig wie Russland.

Innovationsfähigkeit siegt

Es gibt unterschiedliche Rankings über die Innovationsfähigkeit von Staaten, aber eines gilt immer: Nur Demokratien sind in der Lage, sich wirtschaftlich stabil weiterzuentwickeln. Der Global Innovation Index, der jährlich von den Universitäten Cornell (New York) und INSEAD (Fontainebleau) publiziert wird, sieht Russland aktuell an 62. Stelle der innovationsfähigen Staaten. Führend sind ausschließlich westliche und pazifische Staaten mit demokratischen Strukturen. China ist mit Platz 35 ein Experiment dafür, wie ein kommunistisches Regime mit liberaler Marktwirtschaft zu vereinbaren ist. Angesichts der sich verschärfenden Umweltprobleme werden sich immer mehr Bürger gegen Projekte wehren, wir werden sehen, wie die Staatsmacht damit umgeht. Aber die Russen brauchen ein Silicon Valley, international gefragte Universitäten und eine Antwort auf Unternehmen wie Google oder Facebook. Der Westen wird – weil innovativer – immer weniger abhängig von Moskau.

In der Ukraine geht es jetzt darum, dass die Menschen, auch die russischstämmigen im Osten, verstehen, dass sie sich mit Putins schwülstigen Worten von der Größe und Schönheit Russlands nichts zum Essen kaufen können. Und wir sollten genau zuhören, wenn Putin ein autoritäres Regime wie das ungarische oder nationalistische Politiker wie Marine Le Pen lobt. Der russische Präsident will seinen starken Nationalstaat umringt von schwachen Ländern sehen. Eine starke, selbstbewusste Europäische Union passt nicht in sein Konzept.

Kommentare