Warum der Frust im Land so zunimmt

Krisen und Flüchtlinge gab es früher auch. Aber nie schien die Hilflosigkeit der Politik so groß wie jetzt.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Krisen und Flüchtlinge gab es früher auch. Aber nie schien die politische Hilflosigkeit so groß wie jetzt.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den Frust im Land

Im Nervenkrieg um Griechenland, der Selbstaufgabe der österreichischen Politik vor der Flüchtlingswelle und neuerlichen islamistischen Terroranschlägen ist in der abgelaufenen Woche ein besonderes Sittenbild unseres Staates zu wenig beachtet worden. Im aktuellen Telekom-Prozess gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und Ex-Vorstand Rudolf Fischer erklärte der Kronzeuge Gernot Schieszler, warum er vor der vielschichtig-zwielichtigen Figur Mensdorff Angst hatte: "Ich wollte mich nicht mit ihm anlegen, er hätte mich mit drei Sätzen erledigen können." Zur Klarstellung: Schieszler war Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, wo die Republik, aber auch viele viele Einzelaktionäre beteiligt waren. Verantwortlich war Schieszler nur seinem Aufsichtsrat. Aber wichtiger war ihm die Beziehung zu einem Grafen, der mit einem "Netzwerk" protzte. Wobei im Prozess auch klargestellt wurde, dass es nicht um Mensdorffs Bedeutung ging: "Es bist nicht du, aber deine Alte." So wird in diesen Kreisen über Frauen – und Macht – geredet, konkret über Maria Rauch-Kallat, früher ÖVP-Ministerin.

So funktioniert die Republik? Nein, deshalb funktioniert unser Staat eben nicht mehr: Das Aktiengesetz gilt nichts, wenn die Angst um den Job dominiert, Managementaufgaben der Politik, wie die Unterbringung von Flüchtlingen, sind unlösbar, weil die Selbstdarstellung den Politikern wichtiger ist. Und der Journalismus: Medien, die Interviews fälschen, wie in dieser Woche wieder gerichtlich festgestellt wurde, bekommen besonders viel Steuergeld, und einzelne Machthaber ertragen es nicht, wenn unabhängige Zeitungen über sie klar berichten. Da werden dann am Telefon Redakteure angeschrien, dass man sich gut vorstellen kann, wie es zuletzt zwischen Regierung und Landeshauptleuten zugegangen ist. Die Nerven liegen blank. Wahlen stehen vor der Tür, und die Umfragen zeigen, dass SPÖ und ÖVP immer weniger Vertrauen haben, was sie nicht daran hindert, umso lauter zu streiten.

Gerade jetzt: Unabhängiger Journalismus

Deshalb an dieser Stelle ein deutliches Versprechen: Wir vom KURIER werden uns nicht einschüchtern lassen, von nichts und niemanden.

Denn diese Fakten müssen wir immer wieder aufzeigen: Die Wirtschaftsdaten sind negativ, die Ernsthaftigkeit der Politik fehlt, nur die eigene Klientel der Parteien wird großzügig bedient. Noch können wir den Verfall stoppen. Da werden immer dieselben Punkte genannt: Bildung, Forschung, Innovation, Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Und natürlich müsste die Verfassung geändert werden, damit endlich klar ist, wofür der Bund und wofür die Länder zuständig sind.

Der Frust über die Politik ist wohl deshalb so groß: Jeder von uns weiß aus seinem beruflichen Umfeld, dass die Arbeit schwieriger wird, Ansprüche und Belastungen höher werden. Würde da immer nur gestritten, wäre die Bilanz der Firmenpleiten um vieles schlimmer.

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