VP-Neustart ist auch Faymanns letzte Chance

Vom massiven Umbruch in der ÖVP könnte als Allererster ausgerechnet der rote Kanzler profitieren.
Josef Votzi

Josef Votzi

VP-Neustart ist auch Faymanns letzte Chance

von Josef Votzi

über den Umbruch in der ÖVP

Der Befund stammt von zwei Großkoalitionären, die seit 2010 beweisen, dass Rot und Schwarz gemeinsam regieren können, ohne sich ständig sinnlos aneinander zu reiben. Noch vor vier Jahren hatten sich auch Franz Voves und Hermann Schützenhofer bis zum Erbrechen eine Schlammschlacht nach der anderen geliefert. Nun ziehen die rote Nummer eins und der schwarze Juniorpartner ungebrochen ein schmerzhaftes Reformprogramm durch – auch wenn schon 2015 Landtagswahlen dräuen: Gemeindezusammenlegungen, Krankenhausschließungen und Einsparungen im Sozialbereich werden hinter den Kulissen gründlich verhandelt, gemeinsam präsentiert und eisern durchgezogen.

Das rot-schwarze Reform-Duo nutzt dieser Tage den Wechsel an der ÖVP-Spitze zu einem dringenden Appell: "Das ist die letzte Chance für einen Neustart der Koalition" (SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves). " Spindeleggers Rücktritt ist ein Rücktritt vom Stillstand – da zahlt er die Zeche für die gesamte Regierung"(ÖVP-Landes-Vize Hermann Schützenhöfer saftig). Saftig steirischer Nachsatz: Bei "Neuwahlen bräuchte HC Strache von Ibiza gar nicht zurückkommen und würde trotzdem eine reiche Ernte einfahren" (Voves & Schützenhöfer).

Der Nein-Nein-Nein-Sager ist weg

Das ist nicht der erste Weckruf aus berufenem Munde. Hat er diesmal eine Chance, nicht wieder ungehört zu verhallen? Das Kabinett Faymann-Spindelegger legte nach der Wiederwahl einen Fehlstart der Sonderklasse hin. Einen Neustart nach außen und nach innen brauchen Rot und Schwarz. Die neue Familienaufstellung in der Koalition verspricht gleich mehrfach: Die Chancen dafür sind besser denn je.

Michael Spindelegger war auch fast ein Jahr nach dem gescheiterten Anlauf zur Nummer 1 bei öffentlichen Auftritten noch immer auf Wahlkampfmodus eingestellt. Reinhold Mitterlehner hat als Sozialpartner gelernt, wie man Kompromisse verhandelt, die beide Seiten nach außen und nach innen hin leben lassen. Er hat in seinem Fachbereich auch bewiesen, dass er konstruktive Regierungsarbeit nach steirischem Vorbild kann. Mit Hansjörg Schelling als Finanzminister holt er sich zudem einen durchsetzungskräftigen Reformer an seine Seite.

Wird der abrupte Abgang Spindeleggers auch die strapazierten Nerven in der SPÖ beruhigen? Werner Faymann ist in Sachen Reichensteuer massiv unter Druck von Partei und Gewerkschaft. In Nein-Nein-Nein-Finanzminister Spindelegger hatte er einen willkommenen Reibebaum und Sündenbock. Mit dem Neustart in der ÖVP steigt beim Zankapfel Steuersenkung die Aussicht auf einen lebbaren Kompromiss. Und damit für Werner Faymann auch die Chance, den baldigen Parteitag als SPÖ-Chef unbeschadet zu überstehen. Als Kanzler langfristig überleben kann Faymann aber nur, wenn er auch das Mondfenster nutzt, um jetzt rot-schwarze Reformprojekte nach steirischem Vorbild zu schnüren.

Zurufer von außen werden im Regierungsviertel gerne als lästige Nörgler abgetan. Vielleicht machen die Koalitionäre bei einem Amtskollegen, zumal einem der steirischen Reformzwillinge, eine Ausnahme. "Gelingt es binnen kurzer Zeit nicht, vom Stillstand weg zu einem konstruktiven Stil zu kommen", so ÖVP-Mann Hermann Schützenhöfer, "wird sich die Regierung auflösen."

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