Politik braucht mehr Schellings und Voves

Der steirische Erfolgsweg beweist: Wer nicht von Applaus und Ämtern leben muss, macht bessere Politik.
Josef Votzi

Josef Votzi

Politik braucht mehr Schellings und Voves

von Josef Votzi

über österreichische Politik

Wer sich mit Politikern zeigt, macht die Erfahrung: Oft wird wenig Schmeichelhaftes getuschelt; immer öfter offen gemurrt; mehr als höflicher Applaus kommt selten auf. Es war daher außergewöhnlich, was sich dieser Tage in einem Lokal in der Wiener Innenstadt zutrug. Der KURIER traf den steirischen Landeshauptmann zum Interview. Das Gespräch musste mehrmals unterbrochen werden, weil spontan Gäste an den Tisch kamen: Gratulation dazu, wie ihr in der Steiermark das macht, Herr Voves. Schade, dass das nicht überall so ist. Was machen die Steirer anders, dass sie auch im fernen Wien Ovationen auslösen? SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves und der steirische ÖVP-Chef und Landesvize Hermann Schützenhöfer zogen in den vergangenen vier Jahren ein Reformprogramm durch, das sich sehen lassen kann: Zusammenlegung von fast dreihundert Kleingemeinden, Straffung von Bezirksgrenzen, Schließung überzähliger Spitalsabteilungen und Einschnitte bei Sozialleistungen. Vieles von dem also, was im Bund bisher nur gepredigt wurde: Verwaltungseinsparungen und Bändigung von Kostentreibern. Ohne Notbremsung stünden die Steirer mit vier Milliarden neuen Schulden da. 2015 gibt es so nun erstmals wieder ein Budget ohne Neuverschuldung.

Rotes Lob für Schwarze ohne Widerhaken

Der Bund hat diesen politischen Kraftakt noch vor sich. Die erste Frage, die Finanzminister Hansjörg Schelling bei seinem Besuch diese Woche in der Steiermark stellte, war denn auch: Wie habt ihr das gemacht, dass vier Jahre gearbeitet und nicht gestritten wurde?

Die meisten anderen Spitzenpolitiker im Bund reagieren meist unangenehm berührt, wenn Ihnen die Steirer als Vorbild angepriesen werden. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie auf eine Ingredienz des erfolgreichen steirischen Reformrezepts nicht gerne angesprochen werden wollen. Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer hielt erfolgreich die Tradition hoch, einen von der Bundes-ÖVP weitgehend unabhängigen und konsequent eigenständigen politischen Kurs zu fahren. SPÖ-Chef Franz Voves war vor seinem Umstieg in die Politik 13 Jahre erfolgreicher Manager in der Privatwirtschaft. Der Quereinsteiger war materiell nie allein von der Politik abhängig. Dank der weit über die Steiermark respektierten rot-schwarzen Reformagenda kann er sich leisten, die üblichen Usancen der Parteipolitik auch heute noch zu ignorieren.

Der rote steirische Landeschef setzt seine größten Hoffnungen in Wien keck in das neue schwarze Spitzenduo in Finanzministerium und Partei: "Mit Schelling und Mitterlehner kann die ÖVP wirklich einen Neustart zuwege bringen. Schelling ist absolut ein Gewinn für die Regierung. Jeder, der nicht materiell abhängig von der Politik ist, ist ein Gewinn, ist eine Chance für richtige, wichtige sachbezogene Politik". So viel Vorschuss-Vertrauen über Parteigrenzen hinweg ist nicht nur einmalig. Es macht auch plastisch, warum der steirische Weg erfolgreich und nachahmenswert ist.

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