Grüne Wutbürgerei und rote Taktik

Vor den Herbstwahlen liegen die Nerven blank. Die FPÖ profitiert – aber nicht so stark wie behauptet.
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Masseneinwanderung ist eine viel größere Zerreißprobe für die EU als das Problem mit Griechenland.

von Dr. Martina Salomon

über blanke Nerven

Christoph Chorherr ist sauer. Sehr sauer sogar. Deshalb wütet er in seinem Blog gegen die "abgrundtiefe Dummheit des österreichischen Journalismus" . Ein Zeichen für die Nervosität der Grünen vor den Herbst-Landtagswahlen. Sowohl in Wien als auch in Oberösterreich regieren sie mit. Die Reaktion des Journalistensohns Chorherr ist ein auch bei anderen Parteien wohlbekanntes Muster: Wer Probleme hat, gibt gern den Medien die Schuld. In Wien würde Michael Häupl nämlich liebend gerne zu Rot-Schwarz wechseln, was nur ein katastrophales Abschneiden der Schwarzen verhindern könnte (was nicht ganz ausgeschlossen ist).

Chorherrs Rundumschlag hat aber auch einen wahren Kern. Wenn Medien hyperventilierend die "Schlacht um Wien" weiter transportieren, sind sie willfährige Helfer von Rot und Blau. Andere Parteien bleiben beim inszenierten Shootout von Sheriff Häupl gegen Outlaw Strache im Schatten. Deshalb setzen jetzt auch die Neos auf schrille Töne. Doch die seit 1919 mit einer Unterbrechung zwischen 1934 und 1945 regierende SPÖ wird auch künftig den Bürgermeister stellen. Um die eigenen Reihen zu mobilisieren, muss sie den blauen Teufel an die Wand malen. Der rote Stammwähler ist ja auch bei anderen Parteikrisen wie "Konsum" und "Bawag" mit zusammengebissenen Zähnen zu "seiner" Partei gestanden, um sie nicht untergehen zu lassen. Daher wird die Wien-Wahl zur Entscheidungsschlacht hochstilisiert.

Das kommt auch Heinz-Christian Strache zupass. Wie wurde er vor zehn Jahren belächelt, als er das Duell mit Häupl ausrief. Jetzt ist die FPÖ keine Mickey-Mouse-Partei mehr, und Strache kann locker seinen Urlaub genießen: Ganz viele wählen ihn ohnehin nicht für sein Programm, sondern weil sie sich von der etablierten Politik belogen fühlen, genauso wie von den Medien. In diesem Punkt treffen sich die Strache-Wähler sogar mit Chorherr, auch wenn es um ganz andere Inhalte geht.

Massenflucht ist heimliches Haupt-Wahlthema

Das Asylthema hilft Populisten und stellt derzeit alles andere in den Schatten. Die EU ist vorerst gescheitert, für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas zu sorgen oder gar die Ursachen dieser Fluchtwelle zu bekämpfen. Die Nationalstaaten handeln im Alleingang. Wenn besonders betroffene Länder wie Ungarn, aber auch solche, die weit weg von Flüchtlingsrouten sind – wie Dänemark – ihr Heil in Zäunen und verschärften Grenzkontrollen sehen, ist das fatal. 261.000 Österreicher haben dieser Tage ohne mediale Unterstützung ein Volksbegehren für den EU-Austritt unterschrieben: Ihr Begehren ist grundfalsch, doch das Ergebnis sollte als Warnsignal ernst genommen werden. Die Masseneinwanderung ist eine viel größere Zerreißprobe für die EU als das Griechenland-Problem. Politiker, Journalisten, Caritas & Co. tendieren dazu, das Thema schönzureden, aus Angst, Öl ins Feuer zu gießen. Das spüren die Bürger. So gesehen, sitzen Medien und Volksvertretung am selben Ast. Derzeit sägen recht viele daran.

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