Die Methode "Augen zu" ist gescheitert

Europa muss endlich aufwachen – und Flüchtlinge lassen sich durch schreckliche Lager nicht abschrecken.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Methode "Augen zu" ist gescheitert.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Europas Flüchtlingsproblem

Umberto Eco, der italienische Philosoph mit großem schriftstellerischem Werk, hat sich bereits vor 25 Jahren mit der Einwanderung aus Afrika beschäftigt. In einem Artikel meinte er, es ginge dabei um eine regelrechte Wanderungsbewegung aus dem Süden Richtung Europa. Diese ließe sich auch nicht aufhalten, deshalb: Man sollte sich auf eine Periode einer neuen afroeuropäischen Kultur vorbereiten.

Aber anstatt auf Eco zu hören, hat Europa zunächst versucht, eine Festung zu bauen und den Zufluss von Menschen aus Afrika zu ignorieren, was im Norden leichter war als in Italien, wo schwarze Straßenhändler schon lange zum Stadtbild gehören. Und trotz Kriegen in Afrika und dem Nahen Osten, trotz der Bilder aus den Flüchtlingslagern im Libanon und Jordanien hat man sich in ganz Europa geweigert, sich mental und organisatorisch auf Wanderbewegungen einzustellen. Dabei gibt es schon lange die demografische Erkenntnis, dass Zuwanderung notwendig ist und sinnvoll organisiert werden sollte, um die Bevölkerungszahlen stabil zu halten. Aber um den "Ausländer raus"-Kampagnen zu begegnen, hat nicht nur in Österreich der Mut gefehlt.

Die Europäische Union vor der Auflösung

Jetzt, wo der Bürgerkrieg in Syrien weitere Millionen in die europäischen Hauptstädte treibt, spielen die Regierungen Reisebüro. Sie helfen den Flüchtlingen, ins jeweils nächste Land zu kommen, wie der KURIER in Reportagen aus Ungarn gezeigt hat. Vielleicht werden die traditionellen Parteien erst nach weiteren Wahlverlusten erkennen, dass es nur eine europäische Lösung geben kann. Natürlich wären die Rechtspopulisten, die im Vormarsch sind, noch hilfloser. Der Ruf nach dem Schließen der Grenzen ist eine Illusion. Wer es bis zu einem österreichischen Grenzbeamten schafft, hat das Recht auf ein Asylverfahren. Und wenn alle Schengen Staaten dichtmachen, müssten sie klären, was sie mit den Flüchtlingen an ihren Außengrenzen anfangen würden. Also würden die Rechten, die ja die EU auflösen wollen, erst recht deren Institutionen brauchen, wenn sie einmal regieren. Aber: Wo sind eigentlich die EU-Kommission und die Regierungen jetzt, wo sie ein viel größeres Problem als die drohende Griechenland-Pleite zu lösen hätten? Orientierungslos und abgetaucht.

In Österreich hat der verheerende Amnesty-Bericht über Traiskirchen gezeigt, was auch schon lange klar war: Wenn ein Problem bundesweit zu lösen ist, hat die Bundesregierung nicht einmal die Möglichkeit dazu. "Uns sind die Hände gebunden", begründet das Innenministerium Zustände, die nicht zu entschuldigen sind. Die Bundesländer sind mächtiger und auch noch stolz darauf. Europa im Großen und Österreich im Kleinen müssen endlich Handlungsfähigkeit zeigen, sonst werden schon bald andere Regierungen kommen, die noch weniger Handlungskompetenz haben werden.

Resignieren? Nein! Der KURIER zeigt, wie jeder helfen kann. Und viele wollen.

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