Die Geschichte geht nie zu Ende

Der Staatsvertrag war Grundlage für Frieden und Freiheit. Diese Werte müssen wir heute anders sichern.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Der Staatsvertrag war Grundlage für Frieden und Freiheit. Diese Werte müssen wir heute anders sichern.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Geschichte

Gedenktage sind wichtig für uns. Zuletzt konnten wir einige erfreuliche feiern, die Gründung der 2. Republik vor 70 Jahren, die Befreiung des KZ Mauthausen, das Ende des Krieges in Europa oder gestern die Unterzeichnung des Staatsvertrages vor 60 Jahren. Noch leben Zeitzeugen, die uns daran erinnern, wie schnell in Österreich der Schutt weggeräumt und ein erfolgreiches Gemeinwesen aufgebaut wurde, aber manche wissen auch noch, mit welcher Begeisterung sich viele Österreicher an den Verbrechen der Nazis beteiligten. Der Staatsvertrag, also die Freiheit für die Österreicher, wurde durch die weltpolitische Lage begünstigt, war aber dem Geschick der Verhandler rund um Bundeskanzler Julius Raab zu verdanken. Dazu gehörte auch die Zustimmung zur immerwährenden Neutralität, die ja im Staatsvertrag nicht erwähnt wird, sondern am 26. Oktober 1955 vom Nationalrat beschlossen wurde. Aber der Zusammenhang war klar.

60 Jahre später hat die Entwicklung der Geschichte so manche unerwartete Wendung genommen. Sowjetunion, Kommunismus und Ostblock sind wirtschaftlich gescheitert, Globalisierung und Digitalisierung bieten Chancen und Gefahren, an die damals niemand hätte denken können. Der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft war nicht nur kein Anschluss an Deutschland, wie ihn der Staatsvertrag verbieten würde, sondern, ganz im Gegenteil, die Fortführung eines Projekts, das den tödlichen Nationalismus für immer beenden wollte. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner meinte gestern zu Recht: "Leopold Figl würde heute nicht mehr sagen: Glaubt an dieses Österreich, sondern: Glaubt an dieses Europa."

Nur gemeinsam kommen wir weiter

Bundeskanzler Werner Faymann erklärte: Dieses Bundesheer ist ein Heer des Friedens, ein Heer des Krieges wird es hoffentlich nie sein müssen." Ja, hoffentlich. Ganz sicher wird sich das Bundesheer nicht für einen Angriff einer EU-Armee rüsten, wie sich eine FPÖ-Abgeordnete sorgt – gibt es einen Preis für die blödeste Wortmeldung im Parlament? –, sondern Zusammenarbeit in der EU brauchen. Und natürlich ist die Frage der Neutralität historisch zu sehen. So richtig sie im Zuge des Staatsvertrages war, so obsolet ist sie heute.

Noch zwei Lehren aus der Vergangenheit: Der Aufstieg Österreichs zu einem wohlhabenden Land wäre ohne Hilfe von außen, vor allem durch den Marshall-Plan nicht denkbar gewesen. Und viele verfolgte Österreicher haben nur überlebt, weil sie anderswo aufgenommen wurden. Wir werden hier nur weiter mit so vielen Chancen leben können, wenn wir gemeinsame Herausforderungen gemeinsam lösen. Kein EU-Land, auch Deutschland nicht, kann alleine die Entwicklungszusammenarbeit ausbauen, in Nordafrika militärisch eingreifen und Flüchtlinge aufnehmen. 500 Millionen Europäer können gemeinsam helfen. Das erfordert weniger Mut und Kraft , als unsere Mütter und Väter nach dem Krieg für den Wiederaufbau brauchten.

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