Armen-Begräbnis für die "Reichensteuer"

Häupls Alleingang macht den Weg für Steuer-Kompromiss frei – und beschädigt Faymann nachhaltig.
Josef Votzi

Josef Votzi

Armen-Begräbnis für die " Reichensteuer"

von Josef Votzi

über die SPÖ

Heute Vormittag steuert einmal mehr gut ein halbes Dutzend dunkle Dienstlimousinen den Ballhausplatz an. Das jüngste Treffen der rot-schwarzen Steuerreform-Verhandler steht unter völlig neuen Vorzeichen. Aus den bisherigen Runden wird berichtet: Der neue VP-Finanzminister ist wild entschlossen zu beweisen, dass er die notwendigen 5 bis 6 Milliarden ohne neue Steuern aufbringt. Das SPÖ-Team hält eisern dagegen. Die heutige Runde war daher auf totalen Crash programmiert. Besonders strikt ist Hans Jörg Schellings Nein zu Vermögenssubstanzsteuern, also allen Abgaben, die den Wert eines Betriebes, einer Stiftung oder anderer Besitztümer mindern. Im Regierungsviertel rennen zudem seit Wochen Unternehmer den Spitzen der Republik die Türen ein und warnen vor einer nachhaltigen Schädigung der Wirtschaft durch eine Vermögenssubstanz-Steuer.

Seit gestern haben sie einen überraschend neuen Verbündeten. Michael Häupl singt ab sofort im Chor mit Schelling: Nein zu Vermögenssubstanz-Steuern. "Für Betriebe wurde sie seinerzeit zu Recht abgeschafft", so Häupl im Standard: "Wir haben bei den Betrieben eher das Problem, dass die Kapitaldecken zu dünn sind, als dass sie zu dick wären." Der Wiener Bürgermeister, der jeden Samstag mit am Verhandlungstisch sitzt, pfeift damit Werner Faymanns Lieblingsprojekt ab: Jene Millionärs- und Reichensteuer, mit der der SPÖ-Kanzler sein Überleben in der Partei sichern wollte. Und für die er am vergangenen Wochenende einmal mehr massiv Stimmung machte.

Frontbegradigung für Wahlschlacht um Wien

Als politische Substanz der Absage Häupls an Faymanns Steckenpferd bleibt: Der Wiener Bürgermeister stellt sich spätestens im Herbst ein letztes Mal der Wahl. Häupl hat nach fünf gemeinsamen Jahren nicht nur mit selbstbewussteren Grünen und den Neos als neuen Herausforderern zu kämpfen. Im roten Schlüsselbezirk Simmering geht die Angst um, die FPÖ könne der SPÖ erstmals den ersten Platz streitig machen. Gegenwind aus dem Bund kann Häupl so weniger denn je gebrauchen.

Mit dem Nein zu Vermögenssubstanz-Steuern macht er den Weg zu einem Konsens bei der Steuersenkung frei. Das kann den angeschlagenen Roten in Wien nur nützen. Dass er damit den innerparteilich angezählten Kanzler nachhaltig schwächt, fällt für Häupl unter Kollateralschaden.

Freitagfrüh rangen Wiener SPÖ und Kanzleramt um eine Sprachregelung, die den krachenden Umfaller abfedern sollten. Erbschafts- und Schenkungssteuern seien von seiner Absage an die "Reichensteuer" nicht betroffen, ließ Michael Häupl zur Beruhigung der roten Gemüter wissen. Schließlich seien beide lupenreine "Vermögenszuwachs-Steuern". Das blieb nicht die einzige freihändige Umdeutung der Wirklichkeit des Tages. Werner Faymann schwor binnen Stunden dem Millionärssteuer-Mantra ab und schwenkte auf Häupls Kursvorgabe um. Alles klar nach diesem Armen-Begräbnis für die Reichensteuer? Fortsetzung demnächst in diesem Wahlkampftheater.

Kommentare