Arbeitsmigration in Europa wird normal

Menschen sind immer gewandert, um Arbeit zu finden. Daran müssen wir uns in Europa gewöhnen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Menschen sind immer gewandert, um Arbeit zu finden.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Arbeitsmigration

Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist zitiert in einem Bericht über Arbeitsmigranten einen bulgarischen Hotelangestellten: „Wenn britische Touristen ans Schwarze Meer kommen und sich hier wie Höhlenmenschen benehmen, saufen und raufen, sagen wir nichts. Wir Bulgaren benehmen uns besser, wenn wir in ein anderes Land gehen, um dort hart zu arbeiten.“ Das ist die enttäuschte Reaktion eines Mannes, der darüber liest, dass bulgarische Zuwanderer in britischen Medien vor allem als Sozialschmarotzer dargestellt werden. Vorurteile gegen Vorurteile aufzurechnen, das bringt uns in der Debatte um die Arbeitsmigration in Europa nicht weiter. Denn Menschen verhalten sich letztlich rational, auf der Suche nach ihrem Vorteil.

„Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr.“ Das riefen Demonstranten in der postkommunistischen DDR im Frühjahr 1990. Oskar Lafontaine, damals noch Sozialdemokrat und SPD-Kanzlerkandidat, wollte auch nach dem Fall der Mauer die DDR-Bürger am Umzug in die BRD hindern. Aber die einzige Möglichkeit, die endlich freien Ostdeutschen in ihren Städten zu halten, lag in der schnellen Einführung der D-Mark. Sie versprach die Chance auf Wohlstand.

Nun sind wir heute in Europa in einer komplizierteren Situation als das wiedervereinigte Deutschland im Jahr 1990. Die Regierung Kohl musste eine einheitliche Währung einführen, da das Grundgesetz, die deutsche Verfassung, sogenannte „gleichwertige Lebensverhältnisse“ im ganzen Bundesgebiet verlangt.

Die Bürger profitieren von den vier Freiheiten

Der EU-Binnenmarkt garantiert ja die vier Freiheiten, dazu gehört die Freizügigkeit der Personen. Wir müssen uns nur immer wieder darüber klar werden, was das in aller Konsequenz bedeutet. Und wir müssen uns die Alternativen ansehen: Wenn der französische „ Front National“ die Abschottung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt verlangt, dann wird die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen noch mehr leiden. Der Verlust von Arbeitsplätzen wäre die logische Folge.

Außerdem: Die alternden Gesellschaften im Westen suchen dringend Fachkräfte, nicht nur Pflegepersonal. Dazu kommen gut ausgebildete Osteuropäer, die, wie der bulgarische Hotelangestellte, in alten EU-Ländern höhere Gehälter und bessere Aufstiegschancen erwarten. Arbeitsmigration in Europa wird also so normal und alltäglich werden wie in anderen Wirtschaftsräumen.

In der aufgeheizten Stimmung vor der EU-Wahl im Mai werden rechte Parteien laut vor der Zuwanderung warnen. Und alle Berechnungen, dass Bulgaren und Rumänen bisher mehr in die Sozialtöpfe des Westens eingezahlt als herausbekommen haben, leugnen. Dabei ist das größere Problem der „Brain Drain“ in Osteuropa. Die Volkswirtschaften brauchen ihre gut ausgebildeten Leute. Es ist die Verantwortung dieser Regierungen, ein besseres Umfeld für Investitionen und Arbeitsplätze zu schaffen, die EU wird dabei helfen müssen.

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