Sieg setzt London unter Zugzwang

Konrad Kramar

Konrad Kramar

Dieses „Nein“ lässt den Traum von der Unabhängigkeit nicht so einfach wieder verschwinden.

von Mag. Konrad Kramar

über das Schottland-Votum

Die Angst hat gesiegt. Firmen drohten mit Abwanderung aus Schottland, Supermärkte kündigten Preissteigerungen an und diverse Erdölexperten sahen die Vorräte in der Nordsee fast wöchentlich noch weiter schwinden: Mit solchen Schlagzeilen haben britische Tageszeitungen in den vergangenen Wochen die Schotten fast unaufhörlich beglückt. Dazu kam eine Armada von Londoner Spitzenpolitikern, allen voran Premier Cameron, die nach Schottland pilgerten. Dort waren sie zwar fast ausnahmslos nicht willkommen, ihre Botschaft aber brachten sie trotzdem an. Wenn ihr nur bei uns bleibt, bekommt ihr von uns all die wirtschaftliche und politische Freiheit, die ihr schon lange fordert. Wenn ihr aber geht, geht ihr nicht nur ein unkalkulierbares Risiko ein, wir werden euch auch noch vorsorglich ein paar Steine in den Weg legen. Das wirkte.

Auch wenn die Bewegung für die Unabhängigkeit vor zwei Wochen noch erstmals zu den Gegnern aufgeschlossen hatte, das „Nein“ und das „Ja“ tatsächlich Kopf an Kopf lagen, zuletzt hat eine Mehrheit der Schotten doch lieber auf die eigenen Bedenken und Sorgen gehört als auf den Ruf von Regierungschef Alex Salmond, etwas ganz Neues zu wagen. Doch auch dieses „Nein“ lässt den Traum von der Unabhängigkeit nicht so einfach wieder verschwinden. London wird rasch reagieren und seine Versprechen von mehr Autonomie für Schottland einlösen müssen, sonst hat die Unabhängigkeits-Bewegung bald schon ein Argument mehr in der Hand. Nämlich dass London nicht nur eine ohnehin wenig geliebte Zentralmacht ist, sondern auch noch wortbrüchig. Begeisterung für Großbritannien ist in diesen Tagen in Schottland wenig zu spüren, das „Nein“ also war eine Vernunftentscheidung. Die Schotten werden sehr genau darauf achten, ob sich diese Vernunft auch rentiert.

Kommentare