Geschichte lernen, nicht wiederholen

14 Jahre nach dem 11. September stehen wir vor einer erschreckend ähnlichen weltpolitischen Konstellation.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Reflexartige Reaktionen nach dem Motto: Bomben wir halt einmal drauf, machen unsere Feinde zuletzt nur stärker

von Mag. Konrad Kramar

über die Antwort der Weltpolitik auf den Terror

Ein Land im Mittleren Osten, in dem auf den Trümmern eines nicht enden wollenden Bürgerkriegs eine islamistische Terrorgruppe wie eine Krake wächst; ihre Fangarme bis nach Europa ausstreckt. Die Drahtzieher und Chefideologen des Terrors setzen sich in der gesetzlosen Zone, die diese Terrorgruppe geschaffen hat, fest. Ihre technisch versierten Handlanger und Massenmörder aber finden sie unter den entfremdeten, perspektivlosen und zuletzt radikalisierten Einwandererkindern in den Großstädten Europas. Das Blutbad des 11. September wurde von Afghanistan aus befohlen und in Hamburg geplant. Die Spuren der Anschläge von Paris führen – wieder einmal – nach Brüssel. Die der Drahtzieher aber führen in das von der Terrormiliz IS eroberte Territorium zwischen Syrien und Irak.

Wie damals reagiert der Westen mit Bombenangriffen. Reflexartig verstärkt das vom Terror in seinen Grundfesten erschütterte Frankreich seine Luftangriffe auf die IS-Hochburgen. Der nächste Schritt aber – diese Erkenntnis setzt sich gerade in schmerzhafter Klarheit in den westlichen Regierungsvierteln durch – wird eine Bodenoffensive sein müssen. Der IS muss aus seinem Territorium vertrieben, militärisch vernichtet werden.

Einfach einmal bomben ist keine Lösung

Heute, 14 Jahre nachdem die Taliban aus der afghanischen Hauptstadt Kabul vertrieben wurden, sind sie zurück, stärker denn je. Konkurrenz haben sie nur in ihrem ideologischen Schüler, dem IS, der versucht, im afghanischen Chaos Fuß zu fassen. Diese desaströse Bilanz haben die westlichen Generalstäbe vor sich liegen, während sie ihre Operationen in Syrien planen. Die Geheimdienste müssen sich zwischen Brüssel, Paris – und wer weiß, wo noch in Europa – erneut in Terrorzellen vorwärtstasten, die jenen, die ein gewisser Mohammed Atta einst in Hamburg baute, erschreckend ähneln.

Sind wir also in diesen 14 Jahren um keinen Schritt vorwärtsgekommen: In unserem Kampf gegen den Terror in unserer Mitte, in unserer Suche nach Friedenslösungen für den Nahen Osten? Auf den ersten Blick vielleicht nicht, aber wir wissen heute viel mehr als 2001. Wir verstehen die Mechanismen des Terrors, die Strategien der Radikalisierung von jugendlichen Migranten, die Netzwerke, die von den Moscheen im Nahen Osten bis in die trostlosen Vororte französischer Städte gespannt werden. Wir wissen, dass jeder Schritt, den der Westen jetzt setzt, in beide Richtungen führen kann: In Richtung Frieden und Stabilität für den Nahen Osten, aber auch in noch mehr blutiges Chaos: Dort – und mitten in Europa. Wenn uns also dieses Wissen von einem abhalten kann – und muss, dann sind es reflexartige Reaktionen nach dem Motto: Bomben wir halt einmal drauf. Irgendetwas zu tun, nur um nicht im Angesicht des Terrors hilflos dazustehen, kann fatale Folgen haben: Für die Menschen in der Konfliktregion, aber ebenso für uns. Demonstrative Entschlossenheit, die nur die eigene Ratlosigkeit übertüncht, macht unsere Feinde zuletzt nur stärker.

Kommentare