Das Zittern vor den Vereinen im Verein

Beim populärsten Klub ist die Angst vor den Fans größer als der Mut zur Wahrheit.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Einer Austria-Randgruppe, die sich unsterblich nennt, sind selbst Seriensiege zu wenig

von Wolfgang Winheim

über die Wiener Fußball-Fans

Ist der Fußball nur das Spiegelbild einer frustrierten Gesellschaft? Nahezu täglich wüten irgendwo in Europa Vereinsfanatiker gegen den eigenen Klub. Sie wollen nicht akzeptieren, dass eine Meisterschaft nicht nur aus Siegern bestehen kann.

Einer Austria-Randgruppe, die sich unsterblich nennt, sind selbst Seriensiege zu wenig. Gewaltbereite terrorisierten auf der Tribüne eine friedliche Mehrheit, erlaubten keinen Applaus, beschmierten erst in dieser Woche die Generali-Arena.

Auch beim heuer ungleich erfolgloseren Stadtrivalen Rapid bereiten die eigenen Fans mehr Sorgen als der Gegner.

Sollte im heutigen Derby nicht ein arges Foul (wie 2005 jenes vom damaligen Austria-Tormann Joey Didulica an Rapid-Stürmer Axel Lawaree) die Stimmung vergiften, bleibt die Feindschaft zwischen Austria- und Rapid-Spielern auf 90 Minuten beschränkt, werden sich Austria-Coach Peter Stöger und Rapids Neo-Trainer Zoran Barisic schon nach dem Abpfiff wieder ähnlich gut verstehen wie einst als Klubkollegen.

Rapids Hardcore-Fans aber werden selbst im Falle eines Überraschungserfolges weiter hartnäckig fragen, ...

... warum der Verein trotz Spielerverkäufen auch heuer wieder der Lizenzvergabe mit Bangen entgegensehen muss?

... warum die Stadionfrage seit Jahren ungeklärt ist?

... weshalb mit Helmut Schulte ein anerkannter deutscher Sportdirektor engagiert wurde, wenn das Geld fehlt, mit dem er am Transfermarkt seinen guten Ruf beweisen kann?

... und wie es möglich ist, dass sich ein Team, das in Salzburg vor einigen Wochen in Unterzahl gegen Red Bulls Millionenensemble ein 3:3 erkämpft hatte, gegen Red-Bull-Ableger Pasching im Cup blamiert?

Gewiss, das sind aufklärungsbedürftige Ungereimtheiten. Aber sie können keine Rechtfertigung dafür sein, ...

... dass eine gewaltbereite Gruppe (noch in der Ära des zu toleranten, hochanständigen Peter Schöttel) in den Prater ausrückte, um den Rapid-Kader beim Training zu bedrohen;

... dass auch Rapid-Präsident Rudolf Edlinger, obwohl der Politiker das nie so zugeben wird, vor Lynchjustiz zitterte;

... und dass Rowdys nach der Cup-Pleite den US- Rapid-Stürmer Terrence Boyd in der Tiefgarage attackierten.

In eben dieser Tiefgarage von St. Hanappi war Schöttels unbequemem Vorgänger Peter Pacult einmal die Hand ausgekommen. Ist das die einzige Sprache, die unzufriedene Anhänger verstehen? Nein. Die Menge auf der West besteht keineswegs nur aus uneinsichtigen Querulanten.

Nur wäre es an der Zeit, dass endlich einmal Hans Krankl einen lauten öffentlichen Appell der Vernunft an „seine Rapid-Fans“ richtet. Gleichgültig, ob er noch einmal ein Rapid-Comeback anstrebt oder nicht.

Mahnende Worte von ihm können mehr bewirken als jede Polizei-Aktion. Als Mikrofon-Star von Sky hat er dafür (u. a. am Sonntag ab 18.15 in „Talk und Tore“) ein Forum. Er verfügt über Charisma und genießt mehr Akzeptanz beim Rapid-Volk als jeder andere.

Wenn schon die aktuellen Entscheidungsträger vor dem (Fan-)Verein im Verein aus Angst kapitulieren, sollte zumindest Krankl den Anhängern ins Gewissen reden. So wie Tradition keine Tore schießt, bringt Frust keine Sponsoren.

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