Die Angst der Mittelschicht

Niki Glattauer

Niki Glattauer

In den städtischen Ballungsräumen hat das Gymnasium seine Funktion als Eliteschule verloren.

von Niki Glattauer

über die Angst der Mittelschicht

Eh immer dasselbe: Du argumentierst gegen die Zwei-Klassen-Schule, also gegen das Trennen der Kinder mit 10 – und wie das Läuten nach 50 Minuten (um ein Mal nicht zu sagen: wie das Amen im Gebet) weht dann aus dem gewissen Eck kommend das Gagalüfterl durch meine ePost: Sozialromantiker; Trottel; Schimpfen-aber-die-eigene-Tochter-ins-Gymnasium-stecken; AHS-Trauma; usw. Nein, Herr Kollege Schweiger, ich bin kein Feind der AHS, ich schimpfe auch nicht über sie (obwohl sie das aushalten würde :-), im Gegenteil: Es gibt in Österreich sehr viele hervorragende Gymnasien und privat bin ich mit einigen ganz famosen AHS-Lehrerinnen (sofern mir über diese ein Urteil überhaupt zusteht) eng befreundet. Aber in einem Punkt sind wir uns einig: Funktionieren tut das Gymnasium, wo und weil die Elternhäuser funktionieren – inklusive Prinzip Nachhilfe.

In den städtischen Ballungsräumen hat das Gymnasium seine Funktion als Eliteschule verloren und wird vor allem in der Unterstufe immer mehr zur schlechten, weil ungeplanten „Gesamtschule“, die weder finanziell noch von der Ausbildung der Lehrerinnen her für eine solche gerüstet ist, bestes Beispiel Inklusion. Die Folgen sind a) Selektion und b) ein enormer Druck auf alle Beteiligten. Mein Credo also: E i n e leistungsorientierte Schule für alle bis 15 (quasi die „Mittelschule für alle“), und danach das AHS-Gymnasium für jene geistige Elite, die Richtung Uni marschiert.

In ihrem lesenswerten Buch „Die Angst der Mittelschicht vor der Gesamtschule“ (edition innsalz), hält auch die Erziehungswissenschafterin Getrud Nagy, Mitarbeiterin an der Johannes-Kepler-Uni in Linz, ein Plädoyer für eine gemeinsame Schule, fokussiert dabei aber mit viel Empathie und Verständnis auf die Ängste jener Eltern, die sich dagegen wehren, weil sie im Status quo einen vermeintlichen Vorteil für die eigenen Kinder sehen. Ihr Credo: „Es gilt verstärkt um die Mittelschicht zu werben, indem der gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen für a l l e stärker in den Vordergrund gestellt wird.“ Und: „Appelle an Gerechtigkeitsgefühl und Solidarität werden nicht ausreichen.“

Stimmt. Leider.

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