Italien setzt Spanien zu

Schöttel: Fliegende Holländer
Die Konkurrenz hat aufgeholt. Auf den Titelverteidiger wartet ein ganz enges Finale.

Italien ist die Überraschung dieses Turniers. Nicht nur, weil sie Deutschland verdient aus dem Turnier verabschiedet haben. Sie waren von Anfang an bei dieser EURO wirklich stark, aber nicht typisch italienisch: offensiver als früher und nicht so effektiv.Am Donnerstag kehrte die Effektivität im richtigen Moment zurück. Zwei Angriffe, bei denen sich die bis dahin so starke deutsche Defensive ganz schwach angestellt hat und zwei Mal vollendet Balotelli großartig. Außerdem glückten die Umstellungen von Teamchef Löw erstmals nicht.Im Finale erwarte ich ein offenes Spiel mit einem knappen Ergebnis. Italien ist mit dieser Moral alles zuzutrauen. Während bei Spanien auf hohem Niveau gejammert werden darf. Es ist unübersehbar: Sie tun sich schwer. Nur gegen die überforderten Iren und die zu passiven Franzosen war der Titelverteidiger souverän. Dabei spielt Spanien immer noch bemerkenswerten Fußball, auf den sich die Gegner in den vier Jahren seit dem Triumph bei der EURO in Wien aber schon viel besser eingestellt haben.

Müde

Portugal hat vorgezeigt, dass Spanien mit einer klugen Taktik verwundbar ist. Viel früher und weiter weg vom eigenen Tor als die Franzosen haben die 90 Minuten lang spritzigeren Portugiesen den Zweikampf gesucht. Erst durch die Joker wurde Spanien in der Verlängerung gegen einen müde werdenden Gegner dominanter. Diese Müdigkeit schleicht sich nicht nur physisch ein, sondern auch psychisch. Genau das ist das Ziel dieser bewusst zur Schau gestellten Geduld im Tiki-Taka. Das lange Dem-Ball-Hinterherlaufen zermürbt jeden Gegner.Dazu kommt, dass die Spanier neben der spielerischen Klasse durch die andauernden Erfolge auch eine so große mentale Stärke aufgebaut haben, dass sie immer vom Erfolg überzeugt sind. Spanien geht zumindest davon aus, kein Gegentor zu bekommen. In neun K.-o.-Spielen in Serie seit dem EURO-Viertelfinale 2008 gegen Italien gab es mittlerweile ein Zu-Null. Das vermittelt den Eindruck: Diese Mannschaft ist in einem Entscheidungsspiel kaum zu schlagen.Das gibt Sicherheit in heiklen Phasen. Ich behaupte, dass die Spanier nicht einmal beim Elferschießen nervös wurden.

Kritisch

Wir bekommen bei dieser EURO kein spanisches Feuerwerk zu sehen, ich schaue der dominierenden Mannschaft der vergangenen Jahre aber immer noch sehr gerne zu. Mir ist aber aufgefallen, dass viele Fußball-Fans in Österreich lieber den direkteren Weg zum Tor schätzen. Wenn der Ball vier, fünf Mal quer gespielt wird – wie das bei Spanien andauernd zu sehen ist, um die entscheidende Lücke zu suchen – regt sich Unmut.So ist es auch im Hanappi-Stadion. Ich erinnere mich an das 5:1 gegen Kapfenberg im Herbst 2011: In zwei Aktionen waren nach einigen Sekunden Ballbesitz ohne Raumgewinn bereits Pfiffe zu hören. Am Ende dieser Ballstafetten haben wir die Kapfenberger ausgespielt. Es gab jeweils knapp 20 Ballkontakte in Folge – und den Torjubel für Rapid.Nicht vergessen werden sollte bei der EURO trotz all der spielerischen Qualität, dass auch auf diesem Niveau das Glück ein wichtiger Faktor bleibt. Bruno Alves scheiterte an der Unterseite der Latte, eine Minute später jubelte Fàbregas über seinen Elfmeter, der von der Stange ins Tor gesprungen ist. Der Unterschied waren wenige Zentimeter und Glück, sonst nichts. Weil Fàbregas sicher ohne Hilfe der Stange ins Eck treffen wollte.

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