Akuter Qualitätsmangel

Bei unseren Personalentscheidungen kommt die Freunderlwirtschaft oder ein Deutscher zum Zug.
Paul Scharner

Paul Scharner

Personalentscheidungen in Österreichs Fußball: entweder Freunderlwirtschaft, oder es muss ein Deutscher sein.

von Paul Scharner

über die Hinwendung zu Deutschland

Abgesehen von der unpassenden Bemerkung von Dieter Hallervorden hat mich bei der ROMY-Gala noch etwas überrascht: Der Großteil der Auszeichnungen ging an Deutsche, obwohl es doch ein österreichischer Preis ist. Diese Hinwendung zu Deutschland fällt mir auch bei unserem Fußball auf.

Plötzlich wird in allen Bereichen so getan, als wäre bei unserem großen Nachbarn das Rad neu erfunden worden. Beim HSV habe ich eher das Gegenteil erlebt. Ein aktuelles Beispiel: Bei der Austria, so höre ich, ist nur ein Trainer aus Österreich in der engeren Auswahl für die kommende Bestellung. Alle anderen kommen aus Deutschland oder haben in Deutschland gearbeitet.

Natürlich kann man jetzt entgegnen, dass Deutschland auch der aktuelle Weltmeister ist. Ohne Verschwörungstheorien bedienen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Titel auch mit Schiedsrichter-Hilfe zustande gekommen ist. Im Finale gegen Argentinien hätte es für Höwedes und Neuer Rote Karten geben sollen. Aber das vorbildliche, starke Deutschland passt vielen auch besser ins Konzept als ein "abgesandelter", armer Staat wie Argentinien.

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Ich habe nichts gegen Deutschland. Ich habe in meinen Jahren in Hamburg viele Freundschaften geschlossen. Aber dass in Österreichs Fußball beim Großteil der Personalentscheidungen entweder die altbekannte Freunderlwirtschaft oder ein Deutscher zum Zug kommt, wäre nicht notwendig.

Ich fordere ein stärkeres Bemühen ein, bei uns auch mehr Fachkräfte im Trainersektor und im Funktionärswesen auszubilden. Bei den Spielern geht es ja auch: Viele Österreicher bereichern mittlerweile die Deutsche Bundesliga.

Was dazu fehlt? Ich habe nach meiner Rückkehr mit mehreren Vereinen und vielen Funktionären gesprochen, um mir ein besseres Bild von Österreichs Fußball machen zu können. Einen Satz hörte ich immer wieder: "Das kostet zu viel, wir haben ja ein so kleines Budget." Dabei sollte doch klar sein, dass man nur dann etwas langfristig schaffen kann, wenn jetzt investiert wird, vor allem in die Ausbildung der Talente.

Zu diesem Thema hat mich auch ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner besucht, um zu diskutieren. Mir ist es wichtig, auch die Gegenseite zu hören, um nicht jemanden vorschnell abzustempeln.

Ruttensteiner hat mir erläutert, wie schwer es ist, in Österreich etwas zu verändern. So wie es in der Politik dem Bund mit den Bundesländern geht, tut sich auch der ÖFB schwer, bei den fast autonomen Landesverbänden eine einheitliche, hochwertige Ausbildung durchzusetzen. Seiner Meinung nach geht das momentan wirklich nur mit Fachkräften von außen.

Wo wir uns aber schnell einig wurden, ist, dass in Österreich und im Fußball generell immer noch unglaublich viel zu verbessern wäre.

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