Mea Culpa!

Mea Culpa!
Gelegentlich ist es ratsam, mit dem Finger auf sich selbst zu zeigen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Heute kein Raunzen in seine Richtung, sondern Selbstreflexion.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

In einem Liebesratgeber las ich, dass der Partner der „Spiegel meiner Seele“ sei. Na bumm, dachte ich, sehr gruselig. Wusste gar nicht, dass meine Seele so eine Baustelle ist.

Zeit für ein paar Einsichten

Sorry dafür, Herr Mann nebenan. Aber darin stecken zwei zentrale Erkenntnisse: 1.) Wir zwei passen gut zueinander. 2.) Ich bin genauso wenig perfekt wie du. Denn ich kenne mein „Ich nerve“-Potenzial – daher heute kein Raunzen in seine Richtung, sondern Selbstreflexion. Mein „Best-of-Nervpotenzial“! Auf Platz 1: Meine „Ich will alles und das gestern“-Attitüde. Ja, ich halte es nicht aus, wenn der faule Hufi an meiner Seite „es schön langsam“ angehen will. Dann mache ich so viel Druck, dass ich es selbst unerträglich finde. Platz 2: Der „Das-muss-unbedingt-weg-Wahn“, der mitunter neurotische Züge annimmt. Etwa, wenn seine Socken am Küchenkastl liegen statt in der Sockenlade. Sie werden jetzt sagen „Socken am Küchenkastl – Gott, was ist so schlimm daran?“ Stimmt. Zumal mich die eigenen Socken am Küchenkastl viel weniger stören. Ebenso wenig wie meine kunstvolle Installation gebrauchter Taschentücher auf dem gemeinsamen Schreibtisch. Auf Platz 3 verorte ich meine Eigenschaften als extrem vertrottelte Beifahrerin. Zugegeben, ich würde mich selbst aus dem Auto schmeißen, müsste ich mit mir an meiner Seite herumkutschieren. Ich sehe im Dunkeln nämlich immer irgendwelche Hirsche auf der Straße stehen, wo gar keine Hirsche sind (und artikuliere das schreiend: Achtung, ein Hirsch!). Weiters herrsche ich ihn immer an, wenn ein Auto von rechts kommt, obwohl es von links kommt, denn ich verwechsle links mit rechts sehr gern. Dass mir in seinem Auto immer zu kalt ist, sei nur mehr am Rande erwähnt. Er genießt nicht und fährt trotzdem. Danke dafür.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Selbstreflexion schadet angeblich nie. Das steht in allen diesen Tausenden Beziehungsratgebern, die immer erst gelesen werden, wenn es schon zu spät ist. Ich gebe jedenfalls zu, dass ich nach Lektüre des Kuhn’schen Mea-culpa-Textes für einen Augenblick überlegt habe, die Gunst des Zweitschreibers zu nützen und einfach ihre Liste mit 4.) 5.) 6.) fortzusetzen. Als ich das aus Fairnessgründen verworfen hatte, fiel mir ein, dass ich auch mein symbolisches Meisterstück liefern könnte, würde ich eine große Menge von Leerzeichen statt der Eingeständnisse von Makeln hinterlassen. Weißraum als Statement, das wär’s gewesen. Ich wollte mir allerdings ihr „Jo eh, Scherzerl, da hamma alle g’lacht, und jetzt hau’ in die Tasten“ ersparen.

Streitkultur

Daher meine drei (mühsam bei mir selbst recherchierten) Ich-nerve-Punkte:1.) Ich weiß, dass ich sehr unangenehme Tätigkeiten bis zu ihrer Weißglut hinauszögere. Aber dafür erledige ich in dieser Aufschubzeit viele halb unangenehme Dinge, was in Wahrheit extrem lobenswert wäre (bewusster Konjunktiv). 2.) Müsste ich ein Ranking der essenziellsten Fragen meines Seins entwerfen, stünde Wo ist? sicher noch vor Woher komme ich? und Wohin gehe ich? Dass sie mein Prinzip, zu fragen statt zu schauen, narrisch macht, verstehe ich, allerdings wäre sie mit dem Selbsthilfekurs „Sein Chaos, ihre Gelassenheit“ ein Teil der Lösung. 3.) Ich bin als Streitkulturschaffender mühsam, weil ich Vorwürfe immer mit dem „Mag-sein,-aber-du“-Reflex pariere. Sie sagt trotzdem nur jedes zweite Mal „Das ist mir jetzt zu blöd“. Danke dafür.

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte: 15. 2., 13. 3., 3. 4. und 25. 4. im Wiener Rabenhof, 17. 2. in Mödling (Stadtgalerie), 4. 3. in St. Pölten (Bühne im Hof), 15. 4. in Melk (Tischlerei)

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

Kommentare