Getrennte Wege

Getrennte Wege
Urlaubsbummel. Warum sie und er einander oft einmal aus den Augen verlieren.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

„Komm, gemma weiter“, aber es passiert nix.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Sie kennen das: Jene Momente, in denen Kinder herumbrodeln, obwohl man es eilig hat. Da hockerln sie und betrachten endlos einen Stein. Da ein Drehen, dort ein Wenden, offener Mund, Staunen, Hockerln. Man sagt: „Komm, gemma weiter“, aber es passiert nix.

Lähmend langsam

Warum ich daran denken muss? Nun, wir waren im Urlaub und besuchten hübsche Orte. Der Mann nebenan hat kaputte Kniegelenke, mit dem Hockerln wird’s nix. Doch er ist ein Meister des Staunens. An sich eh super, wäre damit nicht nur Brodelei verbunden, sondern der Hufnagl-ist-schon-wieder-weg-Effekt. Der geht so: Sie bummeln mit ihm durch eine Gasse, blicken kurz auf diese schöne Schüssel in der Auslage des Töpferwarenshops: Wusch, weg ist er! Wie ein Bub, der einer Katze nachrennt, die er herzig findet. Da steht man also und denkt sich: „Wo is der jetzt nur, verdammt?“ Schauen ist sinnlos, denn um dich sind 1000 weitere Touristen, die nur eines wollen: an dieser völlig vertrottelten Frau vorbei, die vertrottelt im Weg steht, alles blockiert und „Michiiii???!!!“ in den Südwind brüllt. Dabei an ihrem Handy herumfudelt, um eine SMS mit bösem Text zu verschicken. Derweil steht der Michi entspannt in einem Seitenarm des Touri-Stroms und fotografiert das Schild eines Zahnarztes mit – aus seiner Sicht – total lustigem Namen. Oder versucht, diesen „wertvollen Lichteffekt“ im Auge einer alten Möwe einzufangen – „für Facebook, weißt eh“. Pech: Michi staunt auf diese Weise nicht nur gerne, sondern vor allem oft. Nur so: Auch ich staune – etwa über die Tatsache, dass der Single-Urlaubskatalog immer noch unberührt auf meinem Schreibtisch liegt.

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Er

Die Erklärung ist, wie oft, einfach. Der unterschiedliche Rhythmus, dem meine Frau und ich im Zuge eines Spaziergangs folgen, verändert sich nicht, nur weil wir uns in einem anderen Land befinden. Ich erspare mir jetzt aber die hundertste Betrachtung zum Thema „Wie viel Langsamkeit verträgt Bummeln?“ Faktum ist, dass ich nach zig Urlauben an ihrer Seite in der Lage bin, genau zu antizipieren, wann und warum sie in den gefürchteten speziellen „Jö-schau-Schatzi“-Modus verfällt. Denn spätestens, wenn der erste von fremder Hand geflochtene Obstkorb in der Auslage eines winzigen Ladens auftaucht, weiß ich: Da muss sie rein. Um verlässlich auf einen Salzstreuer (idealerweise gefertigt von einem verarmten, einbeinigen Künstler des Landes) zu zeigen und Sachen wie „Ist das nicht herzig?" zu rufen. Mein Einwand, dass sich der typisch istrische Salzstreuer aus meiner Sicht eher nicht im Geringsten von einem typisch iberischen oder typisch baltischen Salzstreuer unterscheidet, endet dann gerne in Reaktionen der polemischen Marke „Meine Güte, dann such dir halt ein Kaffeehaus und lies kroatische Sportzeitungen“ (was ich tatsächlich gerne tue, obwohl ich kein Wort verstehe).

Fröhlich

Und nur deshalb ist meine Strategie seit Ewigkeiten klar: zurückfallen lassen oder woanders hinschauen. Um nur ja nicht in die Verlegenheit zu geraten, zu einem möglichen Erwerb von „irgendwie fröhlichen“ Geschirrtüchern mit Segelboot-Motiv eine Meinung formulieren zu müssen. Ergo ist die Tatsache, dass wir einander mitunter aus den Augen verlieren, alles, nur sicher kein Zufall. Übrigens, die 85 Kuna waren wirklich eine formidable Investition. Unser Salz rieselt seitdem so typisch istrisch, dass gefühlsmäßig sogar das Wiener Schnitzel endlich nach Meer schmeckt.

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Neues Buch: „Du machst mich wahnsinnig“ (Amalthea-Verlag).

Neuer Termin: Paaradox in der Stadtgalerie Mödling, 6. Mai, 20h, www.diestadtgalerie.at

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