Es war ein Mahl

Es war ein Mahl
Weihnachtsmärchen: Er arrangiert die festliche Vorspeise, sie spricht ein paar Wörtchen mit.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Es ist vielmehr ihre Eh-Attitüde, die mich zuverlässig in den Wahnsinn treibt

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Es ward vollbracht! Zwar hat sich der Kochlehrling an meiner Seite in Sachen Heuer koche ich das Weihnachtsmenü überzeugen lassen, dass ihm das Nummern zu groß wäre. Aber! Auf sein Vorspeisendebüt wollte er partout nicht verzichten. Also ließ ich ihn gewähren, sprich: herumpatzen. Bevor es so weit war, befragte er sein Magenorakel: Worauf hätte le Chefgourmet Lust? Was sagen Hufis Zungenknöspchen? Schließlich ging sein Appetit mit ihm durch – bereits zum Morgenkaffee delirierte er von Gänseleber an Entenlebermousse, garniert mit Hühnerleberflan. Der Haken: In unserer Weihnachtsrunde gibt es nur einen, der beim Wort „Innerei“ nicht akutes Bauchgrimmen bekommt – und das ist ehschowissen. Also machte ich ihn darauf aufmerksam, dass er nicht das Entrée fürs Dinner for one zu verantworten hätte, sondern Paradeiserprinzessinnen wie mich bewirten müsse. Er disponierte etwas beleidigt um.

Nach Art des Hufnagls

Danach ging die Küchenschlacht erst so richtig los – mit einer Intensivrecherche in allen Kochbüchern unseres Haushalts (das sind viele). Schmatzend verbrachte er jede freie Stunde, um Rezepte aus aller Welt zu studieren. Sein Projekt Tausendundein Gericht startete, hieß: er probierte endlos herum. Ein Tupferl hier, ein Patzerl dort. Und stellte dabei für ihn lebensentscheidende Fragen: Limone oder Zitrone? Koriander oder Kümmel? Messer oder Gabel? Nach einem komplexen Entscheidungsprozess wurde es Fischiges nach Art des Hufnagl. Das im Rezept verordnete Grünzeug (Avocado, Paradeiser) ließ er weg, sein Argument: Des braucht eh keiner. Dafür pappte er sich selbst was mit Leber dazu, sein Argument: Man muss Mut zum Bruch haben. Und ich tat es ihm nach – allerdings mit Paradeisern. Ohne zu argumentieren.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Ich bin mir selbstverständlich nicht zu gut für ein Geständnis: Ja, ich hätte mir das Zubereiten einer weihnachtlichen Vorspeise, von der die Familienwelt noch Jahrzehnte später schwärmen möge, ein bisserl leichter vorgestellt. Das lag allerdings weniger an der großen Zahl der Festesser, den Tücken der Rezeptur und dem Küchenvokabular, das ich im Zustand größter Hektik googeln musste. Sondern eher an ... klar ... gnä Kuhn. Die lässt mich nämlich nicht nur via Körpersprache wissen, dass sie mein unkonventionelles Tun in die Kategorie Eieiei und Uiuiui einordnet – es ist vielmehr ihre Eh-Attitüde, die mich zuverlässig in den Wahnsinn treibt und in Permanenz laut stöhnen lässt: Oh, it’s an Eh! Dabei steht sie natürlich nicht wie Fräulein Rottenmeier neben mir und rüffelt mir eine kulinarische Belehrung nach der anderen ins Ohr. Nix da, sie weiß ja genau, dass ich in so einem Fall augenblicklich jede Vereinbarung mit theatralischer Geste auf dem Altar des Weihnachtsfriedens opfern würde. Oh nein, Madame Eh vertraut grundsätzlich der subtilen Beiläufigkeitstaktik.

Viele Fragen

Sie geht also – während ich hochkonzentriert das Saiblingstatar arrangiere – rein zufällig alle zweieinhalb Minuten an der Küche vorbei, um mich quasi en passant zu fragen: „Hast du eh die Fischhaut entfernt?“ Ja. „Gibst du eh nicht zu viel Salz dazu?“ Nein. „Weißt du eh, welches Messer du nehmen solltest?“ Jaha. „Du verwendest hoffentlich eh keine Dille?“ Neihein. Das „eh“ ist ein Teufel. Es suggeriert: Weiß jeder Depp, aber bei dir kann man nie sicher sein. Mir konnte das aber letztendlich egal sein. Denn die Gourmetgemeinde rief mir „Halleluja!“ zu. Und ihre Hauptspeise? War eh auch gut.

Paaradox im Rabenhof: 8. 1., 17. 1., 15. 2., 13. 3., 20 Uhr.

Buchtipp: „Du machst mich wahnsinnig“ (Verlag Amalthea)

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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