Ansonsten versuchen die Grünen, der aggressiven Stimmung mit beschwichtigenden Erklärungen zu begegnen. Ja, es gebe einen Koalitionskonflikt. Man sei eh auch selbst enttäuscht und außerdem anständiger als die ÖVP, aber in Sachen Machttechnik halt leider unerfahrener. Der Vorarlberger Grünen-Chef Johannes Rauch wundert sich über die „nahezu religiöse Aufladung“ der grünen Regierungsbeteiligung, von der manche eine „Bekehrung der ÖVP“ und „Rettung (der Welt und des Klimas)“ erwartet hatten. Manch (Ex-)Grüner, den man bisher für einen besonnenen Intellektuellen gehalten hat, bezeichnet in sozialen Medien die ÖVP gar als „Bestie“ und den Innenminister als ihre „stinkende Kralle“.
Mitten in einer Pandemie wegen der Migrationspolitik die Koalition zu sprengen, wäre allerdings keine gute Idee – und man kann übrigens jeden Tag froh sein, dass die FPÖ nicht mehr mitregiert: Die Stimmung im Land wäre noch gereizter.
Alles andere geht derzeit unter. Vergessen sind auch die Größenverhältnisse in der Koalition: Da steht eine 13,9-Prozent-Partei einer zweieinhalb mal so großen Partei (37,5 Prozent) gegenüber. Die „Kleinen“ besetzen dennoch mächtige Ressorts – und werden im Wirtschaftsaufbau nach dem Pandemie-Desaster ökologische Akzente setzen. Ohnehin spielt der Klimaschutz eine große Rolle im Koalitionsprogramm, und erste Reformen sind demnächst spürbar: Große Autos werden teurer, E-Autos dafür mehr gefördert, der öffentliche Verkehr wird weiter ausgebaut (auch wenn es sich beim 1-2-3-Klimaticket noch spießt), eine Autobahn (Waldviertel) wurde verhindert. Im Sozialbereich dominiert „linke“ Politik mit einer Erhöhung der Mindestpensionen und des Arbeitslosengeldes.
Für das alles werden die Grünen derzeit nicht einmal von ihren (früheren) Fans gelobt, die so wie alle anderen ihr altes Leben zurückhaben möchten, das Pandemie-Management der Regierung lausig finden und über die Asylpolitik toben (die aber mehrheitlich die Zustimmung der Bevölkerung findet). Wenn wir aus dem Schlechte-Laune-Tunnel wieder draußen sind, können die Grünen zeigen, wofür sie stehen und was sie davon durchsetzen können. Aber jetzt brauchen sie noch starke Nerven. Und die Erkenntnis, dass an der harten Regierungswirklichkeit schon manch hoher Anspruch zerschellte.
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