"This is unfair to glaciers – they move faster"

Steven Chu, Nobelpreisträger und ehemaliger US-Energieminister, referierte in Wien. Ein Stimmungsbericht.
Stefan Hofer

Stefan Hofer

Der frühere US-Energieminister plauderte bei seinem Wien-Besuch aus dem Nähkästchen

von Mag. Stefan Hofer

über Nobelpreisträger Steven Chu

... aber das ist unfair gegenüber Gletschern - denn diese bewegen sich schneller!" Als Steven Chu Kritik am Innovations-Unwillen mancher Energiedienstleister übte, hatte er die Lacher im Publikum auf seiner Seite. Das war in der Polit-Karriere des erfolgreichen US-Wissenschafters nicht immer so.

Rund 450 Zuhörer waren vergangenen Freitagabend in den Festsaal der Universität Wien geströmt, um den Physik-Nobelpreisträger (1997) im Rahmen der "Erwin Schrödinger Lectures" zu hören, der überfüllte Raum war alsbald gut temperiert.

Rauchende Schlote

Dass es im Vortrag, wie angekündigt, um "Our Energy and Climate Challenges" ging, kristallisierte sich erst nach einer Aufwärmphase heraus, in der Chu - unorthodox für einen Klima-Vortrag - über die Langzeitfolgen des Rauchens sinnierte. Mit Zahlen über Tabakkonsum und Lungenkrebs-Erkrankungen (in den USA zwischen 1900 und 2005) versuchte er dazulegen, mit welcher zeitlichen Verzögerung oftmals negative Folgen einer Aktion zu Tage treten können. Chu skizzierte im konkreten Beispiel einen "delay" von 25 Jahren, um dann auf den Punkt zu kommen: "Der Schaden, den die Menschheit der Umwelt angetan habe, dürfte auch erst in einem Jahrhundert bekannt sein."

Sprach hier der Politiker oder der Forscher?

Heißer Posten

US-Präsident Barack Obama holte den Physiker mit chinesischen Wurzeln in seiner ersten Amtsperiode ins Kabinett, Chu leitete fünf Jahre lang das US-Energieministerium. Ein heißer Posten in einem Land, in dem Öl-Riesen wie Chevron und ExxonMobile eine dominante Stellung einnehmen. Satte 25 Mrd. Dollar standen Chu daher jährlich zu Verfügung, um die Energiepolitik in die Bahn zu lenken, die Obama bei seinem Einzug ins Weiße Haus vorgeben hatte. Wie sehr ihm das gelungen ist, darüber gibt es in den US-Medien geteilte Meinungen.

"This is unfair to glaciers – they move faster"

Chu selbst liefert zumindest lächelnd eine Grafik, die den sprunghaften Anstieg im Bereich der installierten Leistung bei Photovoltaik-Anlagen in den Jahren 2009 bis 2013 belegen.

2013 kehrte er der Politik den Rücken und als Professor nach Stanford zurück.

Als Politiker musste Chu Antworten liefern. Als Forscher darf er wieder Fragen stellen. Zum Beispiel: Wann werden wir ohne Öl und Gas dastehen? Wie können die Klima-Probleme mit Wissenschaft und Technologie gelöst werden?

Denn: Waren vor 1900 hauptsächlich Forstwirtschaft und Landnutzung für das Gros der Treibhausgase zuständig, sind die Anstiege seitdem auf die intensive Nutzung fossiler Brennstoffe oder die Zementproduktion zurückzuführen, fasst Chu Bekanntes zusammen. Wie also den CO2-Ausstoß reduzieren, die Erderwärmung entschleunigen?

Strenge Blicke

Hier führt er unter anderem die die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) ins Treffen, bei der in der Industrie anfallendes CO2 zur Speicherung in die Erde gepresst wird. Ein paar skeptische Blicke aus dem Publikum erntete Chu wohl auch dafür, dass er Atomenergie auch in der Zukunft als wesentlichen Bestandteil des Energiemix sieht. In der Anti-Atom-Alpenrepublik hört sich Mainstream anders an.

Chu sprang im Laufe des Abends noch von Treibhausgasen, Solarenergie in Spanien und dem Windkraft-Ausbau in den USA hin zur Nachweisbarkeit der Gletscherschmelze mittels Satelliten. Vor allem die Speicherung von Überschüssen im Bereich Erneuerbare Energie (EE) müsse besser erforscht werden, dafür brauche es Anreize. Einen kompletten Umstieg auf EE hält er für nicht realistisch, Atom sei wie erwähnt weiterhin unverzichtbar.

Mein Fazit: Durchaus hörenswert, aber von einem Nobelpreisträger hätte ich mir einen noch mitreißenderen Vortrag erwartet. Ein Zuhörer sah dies ähnlich, wie er auf Twitter kundtat:

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