Madrid fürchtet sich

Katalonien taumelt von einem angekündigten Referendum zum nächsten. Madrid feuert die Debatte unnötig an, Barcelona regiert derweil auf Sparflamme.

In der Region wird auf Sparflamme regiert, lieber taumelt man von einem missglückten Referendum zum nächsten.

von Mag. Leila Al-Serori

über Katalonien

Ist Katalonien eine Nation? Für den spanischen Premier Mariano Rajoy gibt es auf diese Frage nur ein Nein: " Katalonien ohne Spanien ist unvorstellbar." Sein katalanischer Kollege Artur Mas bejaht: "Wir sind schon seit tausend Jahren eine eigene Nation."

Die Debatte rund um eine Loslösung der autonomen Region in Spanien schwelt seit Jahren – und ist dieser Tage wieder mit den Regionalwahlen, die als indirekte Unabhängigkeitsabstimmung zweckentfremdet wurden, neu entfacht. Ein Keil würde in die Gesellschaft getrieben, so die eine Seite. Die Freiheit eines Volkes unterdrückt, die andere Seite.

Madrid fürchtet sich
Eiszeit zwischen Kataloniens Regionalpräsident Artur Mas und Spaniens Premier Mariano Rajoy (links).

Unversöhnlich: Spaniens Premier Rajoy, Regionalpräsident Mas

Während Großbritannien sich zwar nicht entspannt gezeigt hat bezüglich einer Abspaltung Schottlands, so hat die Regierung doch erlaubt, darüber abzustimmen. Spaniens Staatschef hingegen weigert sich ein Referendum abzuhalten. Warum? Nun, die Antwort ist simpel: Madrid fürchtet sich.

Dominoeffekt

Das hat viele Gründe: Ein Fünftel des spanischen BIP wird in Katalonien erwirtschaftet, außerdem ein Viertel der Exporte. Eine Abspaltung hätte also gewaltige wirtschaftliche Folgen für Spanien (für Katalonien allerdings auch). Und da ist natürlich der Dominoeffekt. Denn auch im Baskenland kämpfen Separatisten für eine Loslösung – jahrzehntelang mit der Terrororganisation ETA auch gewaltsam. Wenn Katalonien sich abspalten dürfte, hätte das also womöglich Nachahmer. Aus selbigem Grund hat Spanien übrigens bis heute den Kosovo nicht anerkannt.

Der rigorose Kurs Madrids war kontraproduktiv: Je ablehnender die Zentralregierung, desto stärker wuchs der Zuspruch für eine Abspaltung. Was zuletzt besonders kränkte, waren die neuen Gesetze zur Pädagogik. Wenn nur ein Schulkind spanisch spricht, müssen die Lehrer die Unterrichtssprache von Katalanisch auf Spanisch ändern. Ein unnötiger Affront. Schließlich ist die Sprache ein wichtiger Teil der Identität.

Polarisierung

Die steigende Polarisierung auch durch Medien und politische Debatte hat sich am Sonntag in einem historischen Wahlergebnis manifestiert. Die Separatisten kamen auf 47,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ein eindeutiges Ergebnis, wenn es um die nächste Regionalregierung geht. Aber nicht unbedingt, wenn es um die Frage einer Unabhängigkeit geht. Denn 47,8 Prozent sind nicht die Mehrheit der 5,5 Millionen Wahlberechtigten, wie Madrid auch nicht müde wird zu betonen.

Madrid fürchtet sich
Jubel bei Artus Mas: Der katalanische Regierungschef hatte die vorgezogene Wahl als eine "Volksabstimmung" über eine Abspaltung der Region von Spanien angesetzt.

Ist Katalonien nun eine Nation? Nun, das ist nicht objektiv zu beantworten. Laut dem Duden ist eine Nation eine große Gemeinschaft von Menschen gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur. Mas‘ Bejahung ist so gesehen also nachvollziehbar, denn Katalonien hat eine eigene Geschichte, Sprache und Kultur. Doch alle diese Faktoren sind seit Jahrhunderten mit Spanien untrennbar verwoben. Viele sehen sich daher auch nicht als Katalanen oder Spanier, sondern fühlen sich beidem zugehörig.

Bis ins 15. Jahrhundert waren Kastilien (Zentralspanien) und Katalonien (damals Krone Aragóns) die beiden dominierenden Mächte der iberischen Halbinsel. Seit 1714 gehört Katalonien aber zu Spanien. Der Tag der Niederlage, der 11. September, ist heute katalanischer Nationalfeiertag. Katalonien hat eine eigene Regionalregierung, Verwaltung und Polizei. Doch diese Form der Autonomie ist Mas nicht genug - er sieht die Katalanen als Nation, die einen eigenen Staat benötigen.

Verschuldet

Was er dabei zu übersehen schein: War Katalonien einst der ökonomische Motor des Landes, so ist die Region mittlerweile die am höchsten verschuldete Spaniens. In der Region wird seit mehreren Jahren auf Sparflamme regiert, lieber taumelt man von einem von Madrid verbotenen Referendum zum nächsten.

Die Grenze, die viele Katalanen nun um ihre Heimat ziehen wollen, ist eine Möglichkeit, die eigene Identität auf einen Sockel zu stellen. Und hat dabei natürlich einen Nebeneffekt: Jegliche andere Schwierigkeit – ob wirtschaftlich oder politisch – ist dahinter verblasst. Es fragt sich nur, wie lange noch.

Sie sind anderer Meinung? Hinterlassen Sie einen Kommentar und lassen Sie uns doch diskutieren!

Kommentare