Der Mord an James Foley: Schneeballeffekt des Horrors

US-Fotograf James Foley auf einer Aufnahme, die in bei der Arbeit zeigt.
Warum die Bilder der Hinrichtung von James Foley uns Journalisten vor ein Dilemma stellen.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Terror-Propaganda oder Dokumentation? Die Bilder, die von der Tötungssszene verbreitet werden, sollten journalistisch sorgfältig behandelt werden.

von Philipp Wilhelmer

Terror-Propaganda oder Dokumentation?

Am späten Dienstagabend platzte via Twitter eine emotionale Bombe. Reihenweise gingen Nachrichten von einem gewissen James Foley ein. „Enthauptet“, „schaut euch das Video nicht an“, „verbreitet keine Bilder“ lautete der panische Chor westlicher Journalisten und Nutzer. Was war passiert?

Register der medialen Kriegsführung

Die Terrormiliz Islamic State (IS) hatte den seit 2012 in Syrien entführten US-Fotografen offenbar bestialisch ermordet. Die Gruppe stellte das Video online und zog dann alle Register der medialen Kriegsführung. Das Material wurde auf Twitter gestellt, wo der Schneeballeffekt des Horros eintrat: Bildausschnitte sind auf dem Kurznachrichtendienst oft auch dann zu sehen, wenn die User Links weiterverbreiten. In der Schnelle des Mediums wird oft schneller geklickt und geteilt, als man denken kann.

Am Dienstag passierte dennoch Bemerkenswertes: Eine große Zahl von Usern mobilisierte gegen die Weiterverbreitung des graufenhaften Propagandamaterials. Der Hashtag #ISISmediaBlackout verbreitete sich ebenso rasend wie das IS-Video und die Teilnehmer plädierten dafür, dem Kalifaten-Terror-Regime nicht auf den Leim zu gehen, indem man seine Bilder weiterverbreite, so erbarmungswürdig grausam die auch sein mögen. "In Momenten wie diesen sind die Nutzer gefragt", schrieb Süddeutsche de am Mittwoch.

Dilemma für Journalisten

Ein Erfolg der Zivilgesellschaft auf sozialen Netzwerken, die allzu oft Propaganda aus dem Druckkochtopf Naher Osten gedankenlos weiterverbreitet hatte. Was wiederum die Journalisten vor ein Dilemma bei der Bildauswahl stellt: Der dokumentarische Charakter der Aufnahme ist unbestritten wichtig. Auch Selbstzensur ist eine Beschränkung der Meinungsfreiheit, wobei der perfide Propaganda-Schlachtzug der IS-Terroristen natürlich genau diese Nebenfront im Visier hat: Wenn Medien und Bürger sich in ihrer Informationsfreiheit beschränken, um einem Außenfeind keinen Punkt machen zu lassen, zieht das unweigerlich Konsequenzen nach sich. Ähnlich wie die Hochrüstung der Sicherheitsapparate bis zum Schuhe-Ausziehen am Flughafen nach 9-11 handelt es sich um einen indirekten Angriff auf ein liberales System, das sich selbst ein Stück Offenheit und Freiheit nehmen muss.

"Dokumentarisch" greift zu kurz

Dennoch: Die Bilder, die auch von Nachrichtenagenturen und herkömmlichen Medien (auch Kurier.at ) von derTötungsszene verbreitet werden, sollten journalistisch sorgfältig behandelt werden. Und als das betrachtet werden, was sie sind: Die Inszenierung einer blutrünstigen Mörderbande. Filmstills, in denen James Foley mit rasiertem Schädel in einer orangen Uniform vor seinem Häscher kniet, sind kein journalistisches Produkt, sondern reines Propagandamaterial, in dem einem Menschen in den letzten Minuten seines Lebens auf schändlichste Weise die letzte Würde genommen wird. Die Verbreitung rein unter dem Blickpunkt des „Dokumentarischen“ greift hier zu kurz. Um ein krasses Gegenbeispiel zu nennen: Niemand käme auf die Idee, Standbilder aus beschlagnahmten Kinderpornos „aus dokumentarischen“ Zwecken zu schildern, so aufsehenerregend der berichtete Fall auch sein mag.

Ein Kollege, der Foley kannte, schreibt in einem Beitrag, dass es dem Leben des leidenschaftlichen Reporters einen schlechten Dienst erweisen würde, wenn man die Umstände seines Todes verschweigen würde. Er beschreibt den Amerikaner als kompromisslosen Berichterstatter, der bereits im lybischen Regime Muammar Gaddafis für ein Monat in Gefangenschaft geriet. Es hielt Foley nicht davon ab, aus Syrien zu berichten, wo er 2012 entführt wurde. Es stellt sich dennoch die Frage, wie man das Bildmaterial sorgfältig in die Berichterstattung einordnet und dem reißerischen Charakter der Inszenierung nicht zuviel Raum gibt.

Einen möglichen Hinweis gibt uns die Mutter des Ermordeten: "Wir waren noch nie stolzer auf unseren Sohn. Er hat sein Leben dafür gegeben, der Welt das Leiden des syrischen Volkes zu zeigen", schreibt Diane Foley. Einen schöneren Appell für die Freiheit der Presse könnte es nicht geben. Das sollte eigentlich medial höher bewertet werden als die Niedertracht einer gemeinen Mörderbande.

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