Innehalten vor dem Anpfiff

Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Schon kippte die Euphorie mancherorts. Vor allem in den sozialen, oft gar nicht so sozialen Medien.

von Bernhard Hanisch

über die EURO

Die seit geraumer Zeit berechtigte Befürchtung gehörte schon zum verbalen Inventar in der morgendlichen Sitzung der Sportredaktion. War das Platzangebot auf den Zeitungsseiten schon zum Bersten ausgereizt, kam unweigerlich die bange Frage: "Was machen wir, wenn der Ali stirbt?"

Gestern ist es passiert. Der "Größte", der Berühmteste, der Streitbare ist tot. Ein Nachruf auf Boxlegende Muhammad Ali musste seinen würdigen Platz finden. Auch im Vorspiel zur Fußball-EM 2016, welches der KURIER als Magazin ausgewiesen, in dieser Sonntagsausgabe beginnt.

Einen Monat lang wird sich die Sportwelt mit den Frankreichs Ausmaßen begnügen. Österreich hat seinen Platz bei dieser Europameisterschaft. Aus eigener Kraft erspielt, nach überzeugender Qualifikation. Zu überzeugend vielleicht, um die Erwartungshaltung im eigenen Land im Zaum zu halten.

Der vorletzte Probegalopp gegen Malta war wenig berauschend, der letzte gegen die Niederländer umso wichtiger. Schon kippte die Euphorie mancherorts. Vor allem in den sozialen, oft gar nicht so sozialen Medien. Herbeigesehnt die Stimmungsumkehr der ewig Frustbeladenen, die mehr Schlagzeilen und Quoten bringt als das nicht enden wollende Märchen vom österreichischen Fußball. Gar vom Shitstorm gegen David Alaba wurde im Privat-TV berichtet, beschrieben wurde in manch Blättern ein peinlicher Test und postwendend missbraucht als Gradmesser für den EM-Ernstfall.

Der KURIER wird sich bemühen, das alles richtig einzuordnen. Kritisch, fachlich fundiert, ohne Häme und Hysterie. Hoffentlich mit Witz, wenn es die Situation erlaubt. Dann, wenn es wirklich zählt. In den Gruppenspielen gegen Ungarn, Portugal und Island. Die Redakteure Alexander Strecha und Andreas Heidenreich werden der Nationalmannschaft täglich vor Ort auf die Beine schauen, zu ergründen versuchen, wann, warum etwas geschieht – oder nicht passiert.

Seine Ansichten zu den Geschehnissen in Frankreich wird dieses Mal Paul Scharner dem Leser nicht vorenthalten. Der von vielen wegen seines beharrlichen Verzichts auf Zurückhaltung geschätzte Ex-Austrianer und ehemalige England-Legionär hat im KURIER den Zweck einer Kolumne jedenfalls schon längst durchschaut: Er sagt, was er denkt. Polarisiert.

Nicht minder erfreulich ist die Tatsache, dass sich auch Zoran Barisic, Trainer des populärsten österreichischen Klubs, entschlossen hat, in EM-Zeiten sein Fachwissen in Kommentare zu fassen. Der Rapid-Coach überzeugte in den letzten Jahren nicht nur durch seine Arbeit, sein Blick reicht locker über jeden Tellerrand.

Und weil ein erweiterter Horizont sowieso nie schaden kann, wird der KURIER-Sport wieder die bei Großereignissen bewährte Kooperation mit dem Berliner Tagesspiegel eingehen. Um beispielsweise aus erster Hand zu erfahren, warum es die Deutschen leider nicht schaffen, den EM-Titel zu gewinnen.

bernhard.hanisch@kurier.at

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