Wanda sind "den Leuten zum Fraß vorgeworfen"

Wanda mit Frontmann Marco Michael (2. v. li.) sind ein Grund dafür, dass deutsche Medien ihre Musikfans als „Österreich-verliebt“ bezeichnen.
Frontmann Marco Michael Wanda im Interview über das Sensationsjahr, Skandale und das Spiel mit der Identität.

Elf Monate nach dem Platin-Debüt "Amore" veröffentlichen Wanda am Freitag das zweite Album "Bussi". Das schließt im Sound nahtlos an das an, womit die fünf Wiener heuer ganz Deutschland in Euphorie versetzt haben. Doch dieser Erfolg, sagt Frontmann Marco Michael Wanda im KURIER-Interview, hat einen Nachteil.

KURIER: Mit dem Video zur Single "Bussi Baby" haben Sie Aufsehen erregt, weil Sie darin Feminismus-Kritikerin Ronja von Rönne zeigen. Können Sie die Aufregung verstehen?

Marco Michael Wanda: Als Mensch nicht, als Profi schon. Jemand will Schlagzeilen, und es sei ihm gegönnt. Jetzt sind wir halt eine Mainstream-Band und den Leuten zum Fraß vorgeworfen. Was die Leute in diesem Album noch alles finden werden, das sie kritisieren können – da schnall ich mich an.

Es wirkt aber schon so, als wäre Rönnes Einsatz Kalkül.

Ich durchforsche nicht detektivisch die Vergangenheit meiner Schauspielerinnen nach unlauterem Verhalten. Der Witz ist, dass wir für das Video eine starke Frau gesucht haben. Wir hatten nicht lange Zeit, zu suchen, und sie hat sich angeboten. Und der Regisseur und ich fanden, dass sie das darstellen kann.

Was könnten die Leute in "Bussi" sonst noch finden?

Ach, da will ich gar keine Fährten legen. Skandal ist ohnehin immer nur so eine Mediensache. Unsere Fans interessiert das nicht. Das merke ich bei den Shows. Da herrscht so eine positive Stimmung. Ich finde, dass wir unseren humanistischen Soll-Auftrag mit der Tour mehr als erfüllt haben. Wir haben in der heimischen und deutschen Konzertlandschaft ein sehr freies, tolerantes und festliches Klima geschaffen. So gesehen haben wir in diesem Jahr 120 Feste ausgerichtet. Es war toll.

Dann lege ich eine Fährte: In "Nimm sie, wenn du’s brauchst" bezeichnen Sie die Frau als Spielzeug.

Das stimmt nicht. Das ist ein Trennungslied, in dem ein Mann seine Frau an einen anderen Mann verliert und einen Dialog mit seiner gekränkten Seele führt. Da ist eigentlich der Mann das Spielzeug. Aber ich finde auch gar nichts Schlechtes daran, dass meine Arbeit auslegbar ist. Es ist jeder herzlich eingeladen, sie zu interpretieren. Wie ich immer sage: Meine Songs sind eine ewige Projektionsfläche.

Gehen Sie deshalb beim Schreiben nie von sich aus?

Natürlich gehe ich zum Teil schon auch von mir aus. Aber wenn man zu viel rumerzählt, was die Songs mit einem selbst zu tun haben, wird man ständig danach gefragt. Ich aber kriege Kopfschmerzen, wenn ich meine Arbeit intellektualisieren muss. Ein Lied zu schreiben, ist so ein umfangreicher, unbewusster Prozess – einfach ein Gefühl. Was dabei in meinem Hirn passiert, möchte ich gar nicht verstehen. Deshalb sage ich "Projektionsfläche" – und fertig ist die G’schicht.

In "Lieber dann als wann" sagen Sie, dass jemand, der sich nicht selbst inszeniert, fad ist …

Das muss man als Ironie verstehen. Das Lied wehrt sich gegen den Glauben an Authentizität in unserer Gesellschaft. Ich werde ständig gefragt, ob ich authentisch bin. Aber das ist Schmarren – eine spießige Frage. Es ist das falsche Menschenbild, wenn man sagt, der Mensch darf nur von da bis dort funktionieren. Der Mensch probiert sich ständig aus. Das Spiel mit der Identität ist etwas fundamental Wichtiges, etwas sehr Gesundes.

Und Sie spielen mit dem Strizzi-Image, wenn Sie in der Öffentlichkeit immer eine Zigarette, einen Drink und die Lederjacke in Reichweite haben?

Immer wenn ich in der Öffentlichkeit stehe, arbeite ich. Das ist stressig, und dann brauche ich eine Zigarette. Und die Lederjacke ist Bestimmung. Die habe ich auf einem Flohmarkt in Berlin von einem wundervoll erhabenen, alten, türkischen Mann gekauft. Der hat auf mich gezeigt und gesagt: ‚Diese Lederjacke und du!‘ Und er hatte recht. Sechs Jahre später trage ich sie immer noch gerne. Sie ist jetzt nur leider 20 cm kürzer –von all dem Schweiß, den sie in diesem Jahr aufgesogen hat.

Sie haben sich sehr darüber geärgert, dass die Neos für eine Kampagne einen Slogan aus Ihrem Hit "Bologna" vereinnahmt haben …

So geärgert hat mich das gar nicht. Ich hab nur etwas Empfundenes darauf gesagt. Nämlich: "Scheiß drauf!"

Aber diese Diktion deutet schon auf Ärger hin.

Ich hab halt eine radikale Sprache. Aber wir sind keine politische Band und werden das nie sein. Zu keinem Anlass und für kein Geld der Welt werden wir in das politische Spiel einsteigen. Denn alles Politische bricht nur nach Tagesverfassung und Aufmerksamkeits-Radius in Wellen über uns herein. Und das ist nicht mein Geschäft. Ich bin Humanist und schreibe über etwas, das immer da sein wird: das Leben.

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