Der lange Atem der Geschichtenerzähler

Comeback als ätherisches Geisteswesen: Daryl Hannah (54) spielt die mysteriöse Mutter der Sensates.
Daryl Hannah und Produzent Grant Hill über "Sense8" und die neuen Möglichkeiten von Online-Serien.

Wenn man in einem Film wie ,Splash‘ gespielt hat, der 150 Millionen einbrachte, kann man sich fünf oder sechs Nieten leisten, bevor man wieder arschkriechen muss. Ich musste nun schon eine Weile wieder arschkriechen." Daryl Hannah hat diesen schönen Satz im Jahr 2003 gesagt. Damals hatte sie gerade ein Comeback in Quentin Tarantinos "Kill Bill" gegeben. Zwölf Jahre später ist Hannah, einer der größten weiblichen Hollywoodstars der 1980er-Jahre, wieder in einer großen Produktion zu sehen – diesmal jedoch auf der kleinen Laptop-Leinwand der neuen Online-Traumfabrik Netflix. "Sense8" (ab heute online anbrufbar) heißt die neue zwölfteilige Serie, für die der On-Demand-Anbieter eine ganze Reihe namhafter Akteure verpflichtet hat. Neben Hannah ist das Drehbuchautor Joe Michael Straczynski ("World War Z", "Thor"), vor allem aber die beiden "Matrix"-Macher Lana und Andy Wachowsksi.

Aber worum geht es in der Serie? "Um acht Fremde, deren Bewusstsein plötzlich miteinander verbunden ist", erklärt Daryl Hannah beim Pressegespräch in Berlin. Die 54-Jährige ist in der Rolle der Angel zu sehen. "So etwas wie die metaphorische Mutter" dieser auf der ganzen Welt zerstreuten Personen. Vom Busfahrer aus Nairobi, der DJane in London, einer Apothekerin in Mumbai bis hin zum Berliner Kleinkriminellen und einem Polizisten in Chicago bietet die Serie zahlreiche Anknüpfungspunkte für verschiedene Geschichten und sogar Genres. Und so findet hier eine Martial-Arts-Szene genauso Platz wie eine von Bollywood inspirierte Episode rund um eine arrangierte Ehe. Angel sorgt dafür, dass die acht so genannten ,Sensates‘ lernen, ihre gemeinsamen Fähigkeiten und Erfahrungen zu erforschen. Wohin das führt und wieso das überhaupt möglich ist, darüber wird der Zuseher lange im Dunklen gelassen.

Satte Bilder

"Sense8" lässt sich Zeit, um erst einmal die Charaktere und ihre Städte zu etablieren – gedreht wurde mit Unterstützung lokaler Regisseure wie Tom Tykwer in Berlin ausschließlich an Originalschauplätzen. Von den ersten Folgen bleiben so vor allem die satten und aufwendig inszenierten Bilder hängen. Ein Manko? Für Produzent Grant Hill ist genau das der Reiz, mit dem On-Demand-Anbieter Netflix Filmemacher aus Hollywood lockt. "Wir können Geschichten genau so erzählen, wie es am besten für sie ist. Online ist einfach genug Platz da."

Ein weiterer Vorteil laut Grant: Serien wie "Sense8", bei der alle Folgen einer Staffel gleichzeitig veröffentlicht werden, müssten nicht sofort erfolgreich sein. "Das ist eine zerstörerische Entwicklung in der Filmbranche. Landet ein Film nicht innerhalb der ersten drei Tage auf Platz eins oder zwei der Kinocharts, wird er aus den Kinos geworfen." Daryl Hannah kennt das nur zu gut: "Schon als ,Blade Runner‘ rauskam, habe ich gesagt: ,Dieser Film ist ein Meilenstein.‘ Nur hat mir das damals keiner geglaubt. 20 Jahre später ist er das tatsächlich" , sagt Hannah und verspricht: "Auch ,Sense8‘ könnte so ein Meilenstein sein."

Ob sie damit recht behalten wird? Man wird es vielleicht nie erfahren. In der schönen neuen Serienwelt gibt es keine Quoten oder Kinocharts. Und Zugriffszahlen werden prinzipiell nicht veröffentlicht.

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