Schafft sich das Museum ab?

Oliver Laric, Photoplastik, Secession, Wien
Warum sich mehrere Ausstellungen dem Verschwinden des Objekts widmen.

Eine Halle, einige Sessel, eine Leinwand, darauf ein Zusammenschnitt aus Videos aus dem Netz: Wo, bitteschön, ist hier die Ausstellung? Im Erdgeschoß der Kunsthalle Wien hat sie sich aufgelöst. "L’Exposition Imaginaire" heißt das Projekt, das bis 26.6. durchaus radikal die Notwendigkeit eines Ausstellungsraums in der heutigen Zeit infrage stellt.

Denn auch die Künstler und Denker, die hier zu ausgewählten Zeiten sprechen, werden teilweise via Skype zugeschaltet, die Gespräche sind auch via Live-Stream und YouTube zu verfolgen: Das Museum schafft sich ab, könnte man mit Thilo Sarrazin formulieren.

Preis und Technik

Grundsätzlich sind es zwei sehr unterschiedliche Kräfte, die seit geraumer Zeit heftig an dem überlieferten Verständnis dessen nagen, was Museen und Ausstellungen sind: Zum einen stellt die Technik unentwegt neue Mittel bereit, die Partizipation versprechen – neben den genannten Web-Kanälen und Apps ist es insbesondere das hochauflösende Bildarchiv des "Google Art Project".

Zugleich bringt ein neuer Kult ums Original paradoxerweise das Ausstellungswesen in Bedrängnis: Spitzenwerke werden zu Rekordpreisen gekauft und dann in Zollfreilager gesperrt; das hohe Preisniveau führt zu hohen Versicherungsprämien im Leihverkehr, was den finanziell knapp aufgestellten Museen die Ausrichtung von Großausstellungen erschwert.

Wenn dann noch Eigentümer ihre Leihgaben aus Museen abziehen, wie es etwa der Künstler Georg Baselitz zuletzt aus Angst vor einem drohenden Exportverbot in Deutschland tat, bleiben ein paar Mega-Museen, die von Touristen gestürmt werden.

Der Rest muss sich nach Alternativen umsehen.

Es ist daher nicht ganz verwunderlich, dass sich das Thema der Virtualisierung gerade jetzt deutlich im Wiener Ausstellungsbetrieb zeigt: Neben der Kunsthalle zeigt der Künstler Oliver Laric in der Secession Kunst, die kein Original mehr braucht: Seine Skulpturen sind 3-D-"Ausdrucke" von Scans, die auch gratis von der Website threedscans.com heruntergeladen und mit entsprechenden Geräten vielfach nachgefertigt werden können. Im Belvedere-Winterpalais liefert die Schau "Fürstenglanz" parallel eine Geschichtsstunde zum Thema: Statt Originalen aus dem Louvre oder anderen Weltmuseen stehen hier "Galeriewerke" im Fokus – Prachtbände, die ab dem 17. Jahrhundert die Bestände exquisiter Kunstsammlungen in ganz Europa als Reproduktion verfügbar machten.

Muss man da hin?

Während die Prachtbände vergangener Zeiten bereits wieder eine eigene "Aura" entfalten, stellt sich bei den digitalen Möglichkeiten der Gegenwart die Frage der adäquaten Nutzung: Oliver Larics offene Datenbank für 3-D-Scans historischer – und von Copyright befreiter– Skulpturen ist hochinteressant, die physischen 3-D-Objekte aber hätten den Hauptraum der Secession als Rahmen nicht gebraucht. Ebenso wenig muss man die "Exposition Imaginaire" in der Kunsthalle besuchen, wenn man sich für das Thema interessiert. Oder doch?

" Wenn man sich zu einem Kunstwerk begibt, ist es ein Original. Wenn man das Kunstwerk hingegen zwingt, zu einem zu kommen – dann ist es eine Kopie", schrieb der Kunsttheoretiker Boris Groys. In diesem Sinn kann jeder mit seinen Füßen entscheiden, was denn nun als "Original" zu gelten hat: Die moderne Kunstwelt, die sich nun auch schon seit gut 100 Jahren an den Grenzen zwischen Original und Reproduktion, zwischen Kunstwerk und profanem Objekt ("Readymade" ) und an Fragen der Urheberschaft abarbeitet, lässt ihr Publikum sowieso schon längst gern im Unklaren.

Kunst braucht auch stets ein Gegenüber mit einer klaren Haltung. Wer weiß, was es heißt, in einem extra dafür geschaffenen Raum bewusst Zeit mit einem womöglich einmaligen Objekt zu verbringen, wird sich durch Ersatzmittel am Sofa daheim nicht so leicht zufriedenstellen lassen – was immer diese Dinge, digital oder analog, auch sonst zu vermitteln vermögen.

Ausstellungsinfo

Kunsthalle Wien:"L’Exposition Imaginaire", bis 26.6. kunsthallewien.at

Secession: "Oliver Laric: Photoplastik". Bis 19.6., www.secession.at

Winterpalais des Belvedere: "Fürstenglanz – die Macht der Pracht": Bis 26.6.; belvedere.at

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