Oliver Sacks: Wie man ohne Murren geht

Der berühmte Neurologe nahm mit "Dankbarkeit" Abschied von der Welt.

Wer will, kann bequem daheim lernen zu sterben.

Vielleicht auch mit Hilfe des 88-jährigen Martin Walser, in dessen neuem Roman "Ein sterbender Mann" der Held (also Walser) merkt: Das Leben wird schöner, je näher der Tod kommt.

Aber dann geht man doch nicht so gern, oder?

Am 8. Jänner, wenn das Buch erscheint, wird man es genau wissen.

Bis dahin kann Oliver Sacks der Lehrer sein. Der Neurologe, der vor allem als Schriftsteller weltberühmt wurde, indem er erzählte, wie einzigartig so ein Mensch ist, wenn bei ihm eine Schraube locker wird – wenn er z.B. seine Frau mit einem Hut verweckselt . ... er starb in New York heuer im August, 82 -jährig.

Freiheit

Ein seltener Tumor im Auge, vor zehn Jahren entdeckt und scheinbar erfolgreich behandelt, hatte Metastasen in der Leber gebildet.

Es gibt drei Essays von Sacks, in denen er Abschied nimmt. Sie sind voller Wärme und Dankbarkeit, und so heißt auch das schmale Buch bzw. Heft, das seit vergangener Woche zu kaufen ist. Wenige Worte des gebürtigen Londoner reichen ...

Er hat das Alter nicht trostlos empfunden, sondern "als eine Zeit der Muße und Freiheit, der Freiheit von den künstlichen Zwängen früherer Tage, der Freiheit, alles zu erkunden, wonach mir der Sinn steht." Bei schönem Wetter rief Oliver Sacks mitunter: "Wie schön, dass ich nicht tot bin!"

Anders als Samuel Beckett, der an einem prächtigen Tag auf die Frage, ob er glücklich sei, am Leben zu sein, angeblich die Antwort gegeben hat: "So weit würde ich nicht gehen ..."

Sacks schrieb und schwamm und spielte Klavier bis wenige Wochen vor seinem letzten Tag; und die Nachrichten schaute er sich nicht mehr jeden Abend an, denn er war nicht mehr so "ans Leben gebunden", die Zukunft lag nun in den Händen anderer.

Und zur Aussöhnung mit dem Judentum kam es, weil man – spät – seine Homosexualität akzeptierte und den Lebensgefährten zum Freitagabendmahl einlud.

Privileg

Als "Glück" bezeichnete er es, mehr als 80 Jahre gelebt zu haben. An Philip Roths Vergleich, das Alter sei ein Massaker, dachte er trotz mehrerer Leiden nie.

"Ich habe geliebt und wurde geliebt, ich habe viel bekommen und ein wenig zurückgegeben ... Vor allem war ich ein fühlendes Wesen, ein denkendes Tier auf diesem schönen Planeten, und schon das allein war ein wunderbares Privileg und Abenteuer."

Am Ende dachte er Dr. Sacks, was es heißt, ein erstrebenswertes Leben zu führen; und er dachte an den Sabbat, den Tag der Ruhe. Den gönnt er sich jetzt. (Stellen wir uns den Tod nun etwas angenehmer vor?)

Oliver Sacks:
„Dankbarkeit“
Übersetzt von Hainer Kober.
Fotos von Sacks’ Lebensgefährten Bill Hayes.
Rowohlt Verlag. 64 Seiten.
8,30 Euro.

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