Hannibal Lecter blickt auf sein Leben zurück

Hannibal Lecter blickt auf sein Leben zurück
Trunksucht hinter der Bühne, vergessene Dialoge, Streitereien mit berühmten Theaterkollegen. Anthony Hopkins hat eine bewegte Vergangenheit. Im "freizeit"-Interview spricht der Star über seine schwierige Beziehung zu Laurence Olivier, seine Bewunderung für Richard Burton und weshalb die Rolle des Hannibal Lecter für ihn Segen und Fluch gleichermaßen war.

Anthony Hopkins, weltberühmt durch seine Rolle als Hannibal Lecter, für die er auch einen Oscar bekam, gehört heute wie selbstverständlich zur elitären Gruppe britischer Theater- und Filmgötter. Seit knapp zwanzig Jahren regelmäßig auf der großen Leinwand zu sehen, vergisst man jedoch allzu oft, dass auch jemand seines Kalibers sich den Erfolg erst einmal hart erarbeiten musste.

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Umso spannender, wenn Sir Anthony von alten Zeiten erzählt, etwa den 60er- und 70er-Jahren: "Ich erinnere mich noch an meine Anfangszeiten auf der Bühne, an die Jahre im National Theatre. Damals gehörte ich nie dazu, war immer ein Außenseiter", so Hopkins. "Wir tourten mit allen Produktionen, mit Laurence Olivier und Albert Finney, die immer die Hauptrollen spielten. Ich war nur Nebendarsteller in kleinen Rollen. Olivier kritisierte mich ununterbrochen, auch wenn ich wusste, dass ich eine Rolle beherrschte. Er war schwierig, ich war schwierig, und er hatte keine Geduld. Ich möchte heute keines dieser Stücke wiederholen." Hopkins’ Anekdoten über diese Ära sind zahlreich und höchst unterhaltsam – nicht zuletzt, weil heute all die Personen, die damals nur im kleinen englischen Theaterpublikum ihre Fans hatten, Weltstars sind: Albert Finney, Maggie Smith, Joan Plowright. Das waren harte Tage, erzählt Hopkins. Maggie Smith etwa wurde nach einer eher mauen Vorstellung von "Othello", in der sie die Desdemona war, von ihrer Garderobiere gefragt, ob sie etwas benötige. Smith’ trockene Antwort: "Wie wär’s mit einer Rasierklinge?"

Hannibal Lecter blickt auf sein Leben zurück
Anthony Hopkins. Photo: Magnus Sundholm for the HFPA.

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Hopkins hat kein Problem damit, derart aus dem Nähkästchen zu plaudern. Die heute 81-jährige Violet Crawley, Countess of Grantham aus Downton Abbey, war damals eine junge, aufstrebende Schauspielerin – aber bereits mit dem selben Mundwerk, für das sie heute berühmt ist. "Laurence Olivier und sie hassten einander", erzählt Hopkins. Sie respektierte ihn, aber er war sehr ungeduldig mit ihr, weil sie nie seinen Regieanweisungen folgte. Sie war eine Rebellin und machte ihr eigenes Ding. "Eines Tages – ich war mit Michael Gambon in Statistenrollen auf der Bühne – schlug Olivier sie richtig ins Gesicht, nicht wie vorher immer nur simuliert. Sie begann zu weinen, aber schaffte die dennoch Szene, weil sie schon damals ein Vollprofi war." Später ging Olivier in ihre Garderobe, um sich zu entschuldigen. "Du musst Sterne gesehen haben", sagte er. Sie aber sah ihn nur kalt an: "Definitiv mehr Sterne, als dieses Theater je auf der Bühne hatte ..."

Sie sagt ihm, welches Sakko er anziehen soll

Hopkins’ zweites Lieblingsthema neben den alten Geschichten ist seine dritte Ehefrau Stella, mit der er seit 2003 verheiratet ist. Sie ist eine kolumbianische Produzentin, die selten aber doch als Schauspielerin arbeitet. Ihr Hauptberuf ist aber der Ehemann – und sie ist der Boss: "Meine Frau sagt mir, was ich anziehen soll. Sie hat mich auch heute Früh aus Malibu angerufen und mich instruiert, welches Sakko ich zu unserem Interview anziehen soll. Wenn mich jemand fragt, wie ich meinen Kleidungsstil nennen würde, sage ich immer: den Stil meiner Frau." Hopkins lacht: "Ich weiß, ich spreche dauernd über meine Frau, und meine Freunde sagen, dass ich ein richtiger Pantoffelheld sei, aber das nehme ich gern in Kauf." Er lacht wieder und wirkt glücklicher als in all den Jahren vor dieser Ehe, als er nur selten gelöst und meistens ziemlich misanthropisch und nörgelnd auftrat. "Stella sorgt sich um mich und meine Gesundheit, ich bin eben 78. Und sie kommt mich bei den Dreharbeiten besuchen." Etwa vor zwei Jahren in Kanada. Es war bitterkalt und gedreht wurde in einem Heustadel voller Spinnen und Dreck. "Wir haben uns alles abgefroren. Als Stella ankam sagte ich ihr, dass ich das alles wunderbar fände. Sie sah sie mich entgeistert an, fand es grauenhaft, fragte wie ich das bloß aushalte und fuhr zurück ins Hotel. Abends sprach sie mich noch einmal darauf an. Als ich ihr sagte, dass das eben mein Leben sei, fragte sie mich, ob ich etwa drehen wolle, bis ich tot umfalle. Ja, antwortete ich, oder zumindest bis meine Gesundheit schwindet. Das Schauspielen ist eben meine Leidenschaft."

Da verstand ihn seine Frau. Die Geschichte, wie Anthony Hopkins zu trinken aufhörte, als er sich eines schönen Sommertages in den Siebzigern in einem Kaff in Arizona wiederfand, ohne zu wissen, wie er da hingekommen war, ist leidlich bekannt. Auf dem Rückweg nach Los Angeles sah er ein Plakat mit einer Werbung der Anonymen Alkoholiker und ging da hin – der Anfang vom Ende seiner Trunksucht, die in seiner trübseligen Jugend begonnen hatte und zu seinem Ruf als tobsüchtiger Jungstar führte.

"Ich wollte berühmt werden."

Schon als Bub beschloss Anthony Hopkins berühmt zu werden. Und das hatte maßgeblich mit Richard Burton zu tun. Beide haben etwas gemeinsam, sind in derselben Kleinstadt geboren – in Port Talbot, South Wales. "Meine Eltern hatten eine Bäckerei und Burtons Schwester kaufte bei ihnen ein. Es muss in den Fünfzigern gewesen sein, ich war komplett unfähig in der Schule und hatte noch keine Ahnung, dass ich Schauspieler werden würde, aber Burton war berühmt, und ich wusste, wo er wohnte. Ich ging also zu seinem Haus und klopfte. Seine Schwester machte auf. Ich fragte nach einem Autogramm von Richard Burton. Sie erkannte mich als den Sohn des Bäckers und bat mich in die Küche, wo Burtons erste Ehefrau Sybil saß, während er sich rasierte. Als er mich fragte, ob ich walisischen Dialekt spreche, verneinte ich. Dann sei ich kein echter Waliser, tönte er und sah mich mit diesen stechend stahlblauen Augen an. Seine Frau sagte, komm schon, Richard, der Bub will nur ein Autogramm. Nur widerwillig gab er mir eines. Als ich nach Hause ging, fuhr dann sein grauer Jaguar an mir vorbei. Sybil Burton winkte aus dem Fenster, aber Richard Burton sah mich nur von oben herab an." Das war der Tag, an dem Hopkins beschloss, dass er aus diesem Kaff raus musste. Weg von einem Vater, der ihn nur als hoffnungslos bezeichnete, weg von einem Großvater, der ein fürchterlicher Tyrann war, und weg von den Burschen in der Schule, die ihn ständig verdroschen: "Ich wollte berühmt werden, und das war meine größte Rache. Ich wollte was aus meinem Leben machen. Das hieß für mich aber schon damals, nicht nur reich zu werden, was meiner Meinung nach für ein gesundes Ego spricht."

Anthony Hopkins denkt sehr viel über Egoismus und Egozentrik nach, zwei Eigenschaften, unter denen die meisten Stars in Hollywood leiden: "Ein krankes Ego haben diese Schauspieler in Amerika, die zu Drehbeginn jedem verbieten, ihnen in die Augen zu schauen, weil das ihre Konzentration unterbrechen könnte. Wirklich jetzt? Die sind wohl nicht sehr gut in ihrem Job. Das ist doch reine Spinnerei."

Vor 25 Jahren spielte Hopkins seine legendärste Rolle als Dr. Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer. Der Schauspieler ist aber nicht sentimental, was vergangene Erfolge betrifft: "Ich erinnere mich, dass Jodie Foster sehr nett war. Aber so eine Rolle hat auch ihren Fluch. Denn jeder glaubt danach, dass man nur in wirklich bösen Rollen perfekt wäre und sogar böse ist. Ich habe mir ein paar Folgen der TV-Serie Hannibal angeschaut. Mads Mikkelsen ist ein sehr guter Schauspieler. Ich bin dankbar, dass er die Rolle übernommen hat."

Anthony Hopkins wirkt gelassen, hält sich auch selbst für weiser und toleranter als früher: "Ich habe keine festgefahrenen Meinungen mehr. Sage mir jeden Morgen: Du weißt nichts. Ein russischer Poet schrieb, dass die Stille eine Form der Weisheit ist. Also halte ich immer öfter den Mund." Schadet sicher nicht. Es sei denn, alte Anekdoten purzeln heraus ...


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